Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch
zu einem grünen und einem blauen durchgerungen. Körperbehaarung und Wachstumsschübe jedoch hatten nicht zu seinem Plan gehört. Es passierte einfach. Er bekam menschliche Eigenschaften.
Wir schwiegen eine Weile vor uns hin, bis ich hörte, wie Leander etwas vom Boden aufhob und damit vor meinem Gesicht herumfuchtelte. Papier raschelte und wieder traf ein Hauch Minzaroma meine Nase.
»Komm schon, Luzie, mach die Augen auf. Willst du gar nicht sehen, was ich …«
»Ich will wissen, was meine Eltern miteinander besprochen haben. Die Neuigkeiten. Sag sie mir«, unterbrach ich ihn scharf.
»Erst guckst du dir den Beweis an. Dann erzähle ich dir, was sie beschlossen haben. Als Strafe und Sofortmaßnahme.« Strafe und Sofortmaßnahme? Nun wurde ich nervös. Darüber musste ich in der Tat Genaueres erfahren. Ich streckte mich ausgiebig, blinzelte und ließ meine Lider nach oben klappen.
»Tataaaaaa!«, trötete Leander und sah mich triumphierend an.
»Bah, wie eklig!« Ich schlug meine flache Hand gegen die geöffnete Zeitschrift, doch Leander hielt sie so fest in seinen Händen, dass es nur einen lauten Klatscher gab und ich mir das Elend weiter anschauen musste. »Tu das weg!«
»Na, Luzie, was ist das hier? Hm? Was siehst du da?« Er grinste blasiert.
»Etwas, was ich ganz bestimmt nicht sehen will«, fauchte ich. Trotzdem schaffte ich es nicht, meine Blicke zur Seite zu wenden. Der splitterfasernackte Junge vor mir grinste mich dämlich an.
»Natürlich nicht«, entgegnete Leander ironisch. »Niemand will das sehen. Und deshalb drucken sie es ja auch millionenfach ab. In der Bravo, Deutschlands beliebtester Jugendzeitschrift. Ein nackter Junge und ein nacktes Mädchen. In einer Zeitschrift! Und du sagst, es ist nicht normal, nackt zu sein? Dass das niemand sehen will? Du hast gelogen, Luzie. Eine dicke, fette Lüge!«
»Hab ich nicht! Ich will das nicht sehen! Ist mir scheißegal, ob die Bravo so etwas druckt oder nicht! Und jetzt tu es endlich weg …« Leander ließ die Zeitung sinken und studierte interessiert die kurzen Interviews neben den Fotos.
»Warum machen die so was? Ich versteh das nicht!«, redete ich erzürnt weiter.
»Ja, warum machen die das?«, äffte Leander mich spöttisch nach. »Ich kann es dir verraten. Achtung, ich zitiere: ›Indem ich mich nackt für die Bravo fotografieren lasse, möchte ich anderen Jugendlichen etwas klarmachen: Nämlich dass man am glücklichsten ist, wenn man seinen Körper so akzeptiert und liebt, wie er ist‹«, las er laut vor.
»Schön«, kommentierte ich trocken. »Ich kann meinen Körper auch akzeptieren und lieben, ohne jedem meinen Schniedel zu zeigen.«
»Du hast keinen Schniedel, chérie.« Leander kicherte amüsiert.
»Ich weiß!«, brauste ich auf. »Hör auf, mich zu nerven, und stell dich nicht blöder, als du bist!«
»Willst du wissen, wie sein erstes Mal war?«
»Nein!«
»Oder was für Mädchen er mag? Achtung: ›Ein Girl sollte einfühlsam, liebevoll, zärtlich und lustig sein.‹ Also genau wie du, Luzie«, ätzte Leander.
Mit Schwung riss ich ihm die Bravo aus den Händen und schleuderte sie quer durchs Zimmer. Ungerührt sah Leander mir dabei zu, ohne mit seinem überheblichen Grinsen aufzuhören. »Na, lustig bist du schon, wenn du dich aufregst. Immerhin.«
»Schnauze. Sag mir lieber, was meine Eltern beschlossen haben.«
»Nee, nee, nee, Luzie. So schnell nicht. Ich will erst wissen, warum du mich angelogen hast.«
Seufzend setzte ich mich auf und schlang die Decke um meinen Oberkörper. Leander machte es sich auf dem Sofa bequem. Mit einer Hand zog er den schlafenden Mogwai auf seinen Schoß, um ihm das zauselige Fell zu kraulen.
»Ich habe nicht gelogen. Ich will keine nackten Jungs sehen. Zumindest noch nicht. Und schon gar keine fremden Jungs. Sofie will das übrigens auch nicht.«
»Sofie?« Leanders Augenbrauen schnellten interessiert nach oben. Oh, verdammt. Warum hatte ich Sofie erwähnt? Leander hatte Sofie geküsst; ich hatte eigentlich nie wieder in seiner Gegenwart über sie sprechen wollen, sofern es vermeidbar war. Aber Sofie war nach wie vor meine einzige gute Freundin und sie sollte es auch bleiben. Das zog leider automatisch mit sich, dass ab und zu ihr Name fiel.
»Ja, Sofie«, antwortete ich widerstrebend. »Sie ist doch jetzt mit Leon zusammen. Oder so ähnlich. Sie hat zu mir gesagt, dass sie ihn küssen will, aber mehr nicht. Nackt will sie ihn auch nicht sehen. Das Blöde daran ist nur
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