Luzifers Geliebte (Geschichtentrilogie Band 2 Fantastische Geschichten)
dieser ihm die Post in die Schnauze schob und trug sie dann stolz ins Haus zu mir, damit ich ihm seine Streicheleinheiten hinter dem Ohr zukommen lassen konnte.
Einmal, als keine Post da war, der Postbote achtlos an ihm vorbeifuhr, fühlte sich Herr Pichler übergangen. So rannte er dem Postboten nach, biss in das Hinterrad, bis die die Luft aus dem Reifen zischte, lief erschreckt zurück in den Garten, versteckte sich schuldbewusst hinter dem Himbeerstrauch, lunste nach einer Weile ängstlich hervor und jaulte gar jämmerlich. Seitdem trug der Postbote vorsichtshalber immer ein paar Illustrierte bei sich, die er im Notfall an den Hund abgab.
Den meisten Ärger hatten und haben Herr Pichler und ich jedoch wegen der Blumen. Während ich nie Blumen abreiße, weil ich der Meinung bin, sie haben ohnehin ein viel zu kurzes Dasein, ist Herr Pichler fast süchtig, hie und da eine abzubeißen und wie ein Flamencotänzer mit der Blume zwischen den Zähnen herum zu springen, obwohl er sich bewusst ist, etwas Verbotenes zu tun. Er setzt sich nämlich dann jedes Mal auf den Boden und guckt mich mit gesenktem Kopf aus den Augenwinkeln an, weil er zur Strafe keine Streicheleinheiten bekommt, was ihn natürlich sehr kränkt. Doch die Sucht ist stärker. Herr Pichler kann es einfach nicht lassen.
"Wenn sich jemand an der Schönheit der Blumen erfreuen will, dann soll er hingehen, wo sie wachsen und ein Weilchen dort verbleiben", belehre ich ihn immer wieder. "Die Blumen haben Freude daran, bewundert, aber nicht getötet zu werden. Ja, so ist das."
"Eine schöne Geschichte", sagte Maren leise. "Und eine große Liebe zwischen Mensch und Tier."
*
Falkens Keller war ein Weinkeller mit unzähligen Flaschen seines Lieblingsweins. Schön geordnet in extra dafür angefertigten Holzregalen lagen sie wie umgefallene Soldaten.
Gerade als Falken eine Flasche Wein aus dem Holzregal nehmen wollte, überfiel ihn ein seltsamer Gedanke: Wenn er und Maren den Wein tränken, könnte es doch passieren, dass sie auf der Rückfahrt in die Stadt in eine Polizeikontrolle gerieten. An den Wochenenden waren diese besonders verstärkt. Das wäre also zu riskant. Wenn sie keinen Wein tränken, wäre alles in Ordnung. Oder, sie trinken und bleiben beide übers Wochenende hier. Ja. Das wäre die Lösung.
Zufrieden schmunzelnd über diese Erkenntnis, nahm Falken eine Flasche Rotwein aus dem vorderen Regal und begab sich wieder nach oben. Er dachte daran, dass er das Anwesen vor zehn Jahren, kurz nach der Hochzeit mit der Ce Ce, erworben und den alten Bauernhof umbauen lassen hatte. Aber nur im Wohnbereich, da sonst die Finanzen nicht gereicht hätten. Dafür aber aufs Modernste.
In der unteren Etage befand sich das große Wohnzimmer, von wo aus man das Arbeitszimmer und den Korridor erreichen konnte. Von da ging es ins Bad und in die Küche. Eine Wand im Wohnzimmer bestand aus Panzerglas, so dass man das ganze Dorf, das etwas tiefer lag, überschauen konnte. Die Wand gegenüber bildete ein Bücherregal bis zur Tür. Dann gab es, außer einer großzügigen, blauen Sitzlandschaft, noch eine Reihe in Öl gemalter Bilder, eine Musikanlage, bestehend aus einem Radio aus den siebziger Jahren, ein Tonbandgerät und ein altes Grammophon in dem großen Raum. Alles Sammlerstücke, worauf er sehr stolz war. Er hielt nichts von dem modischen Zeugs, wie er sich ausdrückte. Es war einfach nicht seine Welt, harmonierte auch nicht mit seinem Musikgeschmack.
Vom Wohnzimmer führte eine gebogene Treppe aus Holz in die obere Etage zu den fünf Schlafzimmern, zwei Bädern, einer Dusche.
Am Ende des umgebauten Teils des Hauses befanden sich Geräte - und Lagerräume, sowie ehemalige Stallungen.
Herr Pichler benutzte einen separaten Eingang hinter dem Haus; so konnte er jeder Zeit aus - und eingehen.
*
Im Wohnzimmer lehnte Maren am Bücherregal und blätterte in einem Buch. Als sie Falken erblickte, schaute sie ihn nachdenklich an, während er überlegte, wie er ihr seinen Vorschlag mitteilen sollte.
"Wir könnten ja hier das Wochenende …, " stotterte er verlegen.
"Morgen ist ohnehin Sonntag", half ihm Maren. "Da kann ich natürlich hier übernachten."
"Aber, ja, doch." Maren machte es ihm wirklich leicht. "Da oben sind eine Menge leere Zimmer."
"Ich weiß. Hab mich schon etwas umgeschaut. Ich nehme das erste neben dem Bad. Das mit dem lindgrünen Bettbezug. Und dem Aquarell von Unbekannt. Die Uhr braucht eine neue Batterie. Die Windjacke im Schrank
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