Luzifers Hammer
Männer und Frauen in weißem Gewand, einige von ihnen in Bettlaken gehüllt, hatten sich in Alameda beiderseits der Straße an Laternenpfähle gekettet und versperrten die Fahrbahn. Sie sangen Kirchenlieder. Eine Weile hatten sie im Chor gesungen, doch jetzt gerieten sie allmählich aus dem Takt, da die Polizei ihren weißbärtigen Anführer abgeführt hatte.
Am anderen Ende dieser Menschenkette waren die Autos wie Sardinen zusammengepfercht. Alte Fords, mit denen Hausfrauen gewöhnlich zum Einkaufen fuhren, Mercedes mit Chauffeur – wahrscheinlich Stars oder Studioleute –, Camper, Lastwagen, neue Japanimporte, Chevies und Plymouth Dusters, alle ineinander verkeilt und festgerammt. Einige Fahrer versuchten immer noch, sich aus dem Chaos hinauszumanövrieren, doch die meisten von ihnen hatten bereits aufgegeben. Eine Gruppe von Predigern in Roben bewegte sich zwischen den Fahrzeugen. Sie blieben stehen, um mit den Fahrern zu sprechen und predigten.
Einige Fahrer schrien die Leute an, einige wenige hörten zu, einer oder zwei stiegen sogar aus und knieten nieder, um zu beten.
»Irgendeine Aufführung, eh?« sagte Corrigan. »Warum zum Kuckuck haben die sich keinen besseren Platz ausgesucht?«
»Mit der NBC direkt vor der Tür? Wenn der Komet vorbeifliegt, ohne alles zu vernichten, so wird man ihnen glauben, daß sie die Welt gerettet haben. Einige dieser Narren geistern schon seit Jahren über den Bildschirm.«
Corrigan nickte. »Sieht so aus, als hätten sie den richtigen Zeitpunkt gewählt. Da kommen auch schon die Fernsehkameras angerückt.«
Als die Prediger die Kameras erblickten, verdoppelten sie ihren Eifer. Der Gesang hörte für einen Augenblick auf und setzte dann wieder ein: »Näher mein Gott zu dir.« Die Prediger mußten sich beeilen, und manchmal mußten sie mitten im Satz abbrechen, um der Polizei auszuweichen. Zwischen den verkeilten Wagen und den schreienden Menschen mischten sich blaue Uniformen unter die weißen Gewänder. »Ein denkwürdiger Tag«, seufzte Corrigan.
»Irgendwann müssen sie die Straße freimachen.«
»Tjaja.« Es sah aber so aus, als ob die Verkehrsstockung noch lange dauern würde. Viele Fahrer hatten ihre Wagen einfach stehen lassen. Man sah Zivilisten zwischen den Autos hin und her flitzen, geblümte Sporthemden und graue Flanellanzüge zwischen weißen Roben und blauen Uniformen und Fahrer im Overall. Manche waren fuchsteufelswild. Viele hatten ihre Wagen verschlossen und hielten Ausschau nach einem Cab. Der Supermarkt um die Ecke schlug beim Verkauf von Coors Bier alle Rekorde. Manche hatten sich auf dem Bürgersteig versammelt und beteten.
Zwei Polizisten betraten das Geschäft. Das Revier war nicht weit, und der jüngere, Eric Larsen, pflegte bei Orange Julius öfter mit Eileen eine Tasse Kaffee zu trinken. Irgendwie erinnerte er sie an ihren jüngeren Bruder.
»Kann ich ein paar Bolzenschneider haben?« fragte Detektiv Harris in dienstlichem Ton. »Es gibt viel zu tun.«
»Ich glaube schon«, sagte Corrigan. Er hob den Hörer ab und drückte auf einen Knopf, dann wartete er, aber nichts rührte sich. »Verdammt, das ganze Lagerhauspersonal ist ausgeflogen, um sich dieses Theater anzusehen. Ich gehe und hole sie.« Und er latschte durchs Büro nach hinten.
»Keine Schlüssel?« fragte Eileen.
»Nein.« Larsen lächelte ihr zu. »Sie haben die Schlüssel weggeworfen, bevor sie hierher kamen.« Er schüttelte verärgert den Kopf. »Wenn wir diese Verrückten nicht bald wegschaffen, gibt’s einen Aufstand. Keine Möglichkeit, sie zu schützen.«
Der andere Polizist schnaufte.
»Sag Joe, er soll sich Zeit lassen, ich werde mich um die Geschichte kümmern«, meinte er. »Die sind einfach zu dämlich . Manchmal glaube ich, daß die Stumpfsinnigen die Welt erobern werden.«
»Sicher.« Eric Larsen stand am Fenster und beobachtete die Wächter , wobei er leise »Vorwärts, ihr Streiter Gottes« durch die Zähne pfiff.
Eileen kicherte.
»Wie denken Sie darüber, Eric?«
»Wie bitte?« Er blickte schüchtern auf.
»Der Professor schreibt ein Drehbuch«, bemerkte Harris.
Eric zuckte verlegen die Achseln.
»Nun ja, stellen Sie sich einmal James Garner hier draußen vor. Er ist auf der Suche nach einem Mörder. Einer der Fahrer will nämlich einen Mord begehen. Er holt sich ein Laken und eine Kette, und wir fassen ihn, bevor Garner ihn findet …«
»Du meine Güte!« sagte Harris.
»Das hört sich ziemlich gut an«, meinte Eileen. »Wen will denn dieser Mann
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