Luzifers Hammer
überleben konnte.
Harvey ging den anderen Weg bergab zum steinernen Ranchhaus des Senators. Auch hier hatte man einiges angebaut. In einer dieser Anbauten bewahrte Jellison die Waffen für die Festung auf: Gewehre, Patronen, zwei Feldartillerie-Geschütze (ohne Munition), die zu einem Trainingszentrum der Nationalgarde gehört hatten, bevor es überschwemmt wurde, Handladevorrichtungen zum Scharfmachen von Munition, Dinge, die aus dem Laden eines Waffenschmiedes in Porterville stammten. Die Sachen hatten unter Wasser gelegen und waren angerostet, aber sie funktionierten immer noch und wurden sorgsam gepflegt.
Schießpulver und Zündschnüre waren in Büchsen verschlossen, die noch nicht durchgerostet waren, als man sie auffand, obwohl nicht viel dazu gefehlt hatte.
In einem weiteren Anbau saß der Schwiegersohn des Senators mit Telegraf und Funkgerät. Augenblicklich reichte der Telegraf nur bis zur Straßensperre an der Staatsstraße, und über Funk war auch nichts weiter reinzubekommen, aber man hoffte, die Telegrafenleitung zu erweitern. Außerdem hatte Jack Turner eine Beschäftigung. Er war so gut wie für nichts zu gebrauchen, und er kannte keine Morsezeichen. Harvey meinte, er hätte ebenso gut ein einfacher Telefonist sein können. Turners Versuch, ein Ranchprojekt zu überwachen, entwickelte sich zur Katastrophe, die darin gipfelte, daß die Leute beim Senator vorstellig wurden und um Turners Ablösung baten …
Turner rief ihm zu, als er vorbeiging. »He, Randall!«
»Hallo, Jack! Irgendwelche Neuigkeiten?«
»Wir haben einen neuen Präsidenten. Ein gewisser Hector Shorey aus Colorado Springs. Er hat das Standrecht proklamiert.«
Es schien so, als würde Jack Turner die Sache großartig finden, und Harvey teilte seine Meinung. »Jeder verkündet stets das Standrecht.«
»Littman hat es nicht getan.«
»Tja, ich habe ihre Majestät Charles Avery Littman gemocht, den selbsternannten Kaiser. Er war wenigstens lustig. Die anderen waren mir viel zu verdammt seriös.« »Shoreys Gruppe hört sich seriös genug an. Ich habe trotz der Funkstörungen ein paar brauchbare Aufnahmen.«
»Halt die Stellung, Jack!« sagte Harvey und ging weiter. Jetzt also vier Präsidenten, dachte er. Littmann war nichts weiter als ein Rundfunksprecher und leicht angeschlagen. Aber Colorado Springs … Das lag in der Nähe von Denver, eine Meile über Meereshöhe. Das könnte was ausmachen.
Der große Raum war überfüllt. Das war kein gewöhnliches Treffen. Der Senator saß dicht am Feuer in seinem großen Ledersessel, der Harvey an einen Thron erinnerte – und vielleicht war es auch so gedacht. Auf der einen Seite saß Maureen, Al Hardy auf der anderen, Nachfolger und Führer zugleich.
Auch Bürgermeister Seitz und der Polizeichef waren anwesend. Und Steve Cox, Jellisons Vormann, der Mann, der jetzt überwiegend für die Landwirtschaft im Tal verantwortlich war, ferner ein halbes Dutzend Leute, die Sprecher für die Bewohner im Tal. Und natürlich George Christopher, allein in einer Ecke, mit nur einer Stimme, die aber mindestens soviel wog wie die der anderen zusammen, Maureens ausgenommen. Harvey lächelte Maureen zu. Sie dankte ihm mit einem kleinen unpersönlichen Lächeln und einem Kopfnicken, wie einem von vielen, er aber wandte den Blick ab und schaute irgendwo in die Ferne.
Zum Teufel! Sie hatte zwei Gesichter, und er ebenfalls. Maureen hatte ihn öfters oben in der Hütte besucht, wenn Harvey Nachtwache hatte. Sie hatte ihn auch an anderen Orten und zu anderen Zeiten getroffen, doch stets äußerst privat. Es war immer dasselbe. Sie sprachen über die Zukunft, aber nicht über die ihre , weil sie es nicht wollte. Sie liebten sich, sehr zart und innig, als ob es stets das letzte Mal wäre. Sie liebten sich, aber sie machten keine Versprechungen. Es sah so aus, als wollte sie von ihm Kraft schöpfen, wie es auch umgekehrt der Fall war, doch niemals öffentlich. Es war, als hätte Maureen einen bewaffneten, eifersüchtigen, unsichtbaren Ehemann. In der Öffentlichkeit schien sie ihn kaum zu kennen.
Aber in der Öffentlichkeit behandelte sie auch George Christopher nicht viel anders. Vielleicht war sie etwas freundlicher, aber dennoch kühl. Er war nicht ihr unsichtbarer Ehemann … oder? Behandelte sie ihn anders, wenn sie mit ihm allein war?
Harvey wußte es nicht.
Diese Gedanken gingen ihm durch den Kopf, bis sie ein eingespielter Reflex in sein Unterbewußtsein verbannte. Er hatte keine Zeit dafür. Harvey
Weitere Kostenlose Bücher