Luzifers Hammer
öfter hinauf?« fragte Harvey. Er versuchte, unbefangen zu wirken und sich seine Spannung nicht anmerken zu lassen.
»Bisher war ich nur einmal oben«, sagte Maureen. »Dad meint, ich sollte da nicht allein hinaufsteigen.«
Endlich waren sie oben angekommen. Harvey sah, daß es nicht der Gipfel war. Sie standen am Ende eines Grats, der sich nach Südosten in die High Sierra erstreckte. Ein schmaler Pfad führte zu den Felsklippen hinauf. Sie waren die ganze Zeit hinter den Klippen aufgestiegen, und als sie oben waren, lag die Ranch vor ihnen.
»Sie haben recht«, sagte Harvey. »Die Aussicht ist die Mühe wert.« Er stand auf einem Monolithen, mehrere Stockwerke hoch, und spürte die angenehme Brise, die durchs Tal wehte. Wo er auch hinsah, lagen diese großen weißen Felsen verstreut. Hier mußte ein Gletscher durchgeflossen sein und das Land mit diesen Monolithen übersät haben.
Dort unten lag die Ranch des Senators ausgebreitet. Das kleine Tal, das sich der Fluß gegraben hatte, erstreckte sich mehrere Meilen nach Westen. Und dort gab es noch mehr Hügel, die ebenfalls mit hausgroßen weißen Steinen übersät waren.
Weit hinter den Hügeln und weitaus tiefer als die Ranch lag das San Joaquin-Tal. Hier draußen war es dunstig, aber Harvey glaubte, die dunklen Umrisse der Temblor Range in der westlichen Ecke von Kaliforniens Mitteltal ausmachen zu können.
»Silver Valley«, verkündete Maureen. »Das ist unser Besitz, und dort liegt George Christophers Ranch. Einmal hätte ich ihn fast geheiratet …« Sie brach ab und lachte.
Warum empfinde ich so was wie Eifersucht? fragte sich Harvey. »Wieso ist das so lustig?«
»Wir waren erst vierzehn, als er mir den Antrag machte«, sagte Maureen. »Das ist fast sechzehn Jahre her. Dad war gerade gewählt worden, und George und ich suchten nach einer Möglichkeit, daß ich bleiben konnte.«
»Aber Sie taten es nicht.«
»Nein. Manchmal wünsche ich mir, ich wäre geblieben«, sagte sie. »Insbesondere dann, wenn ich hier oben stehe.« Und sie wies auf die Landschaft.
Harvey drehte sich um und erblickte noch mehr Hügel, die sich immer höher türmten und allmählich in die Sierra Nevada übergingen. Die hohen Berge wirkten unberührt, als hätte sie nie eines Menschen Fuß betreten. Harvey wußte, daß dies Einbildung war. Wenn man sich auf dem John Muir Trail nur bückte, um sich die Schnürsenkel zu binden, lief man Gefahr, von Ausflüglern niedergetrampelt zu werden.
Der große Felsen, auf dem sie standen, klebte am Rand der Klippe. Die Kluft war nicht breiter als ein Yard, aber tief, so tief, daß Harvey den Boden nicht sehen konnte. Der Scheitel des Felsens war gegen die Kluft geneigt, und der Fels hing über, so daß Harvey es nicht wagte, weiterzugehen.
Maureen schlenderte hinüber und setzte mit einem großen Schritt über die Kluft, ohne sich etwas dabei zu denken. Sie stand auf einem etwa zwei Fuß breiten Felsen, vor ihr ein Abgrund von dreihundert Fuß, hinter ihr die unermeßliche Tiefe der Kluft. Sie hielt zufrieden Ausschau und drehte sich dann um.
Sie erblickte Harvey Randall, der düster dastand und sich bemühte, weiterzukommen. Sie schaute ihn betroffen an, und ihr Gesicht drückte Besorgnis aus. Sie trat auf den Felsen zurück.
»Es tut mir leid. Sind Sie nicht schwindelfrei?«
»Nicht ganz«, gab Harvey zu.
»Das ist unverzeihlich von mir. Trotzdem – woran denken Sie jetzt?«
»Wie ich hier rauskomme, wenn was passiert. Wenn ich es fertig brächte, über diesen Spalt zu klettern …«
»Das war häßlich von mir«, sagte sie. »Wie dem auch sei, ich möchte Ihnen die Ranch zeigen. Von hier aus können Sie das meiste überblicken.«
Danach konnte sich Harvey nicht mehr daran erinnern, worüber sie gesprochen hatten. Wahrscheinlich belangloses Zeug, aber es war eine angenehme Stunde, die angenehmste, die er seit langem erlebt hatte.
»Jetzt müssen wir wieder runter«, sagte Maureen.
»Gibt es einen leichteren Abstieg, oder müssen wir den gleichen Weg zurück?«
»Ich weiß nicht. Wir können’s versuchen«, sagte sie. Sie bog nach links ab und ging um die andere Seite des Felsens herum, bahnte sich ihren Weg durch Buschwerk und über schmale Ziegenpfade. Dort lagen ganze Haufen von Ziegen- und Schafmist. Auch vom Wild, dachte Harvey, aber er war sich nicht sicher.
Auf dem harten Boden waren keine Spuren zu sehen.
»Es sieht so aus, als wäre hier nie ein Mensch gewesen«, sagte Harvey, aber es kam ziemlich kleinlaut
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