Luzifers Kathedrale
sein.«
»Was?«
»Es hängt mit der Kathedrale und den Menschen zusammen, die früher fromm gewesen sind. Sie haben alle gejagt, die nicht so dachten wie sie. Und wenn sie nicht abschworen, wurden sie getötet. Oft haben die Besatzungen von Schiffen hier auf der Insel eine letzte Zuflucht vor den Stürmen gefunden, so heißt es. Und es waren wohl nicht mehr viele, die die Insel verlassen haben.«
»Man tötete sie also?«
Er zuckte mit den Schultern.
»In der Kathedrale?«, fragte ich.
»Es muss so gewesen sein, Mr. Sinclair.«
»Und der letzte Mensch, der auf eine so schreckliche Art und Weise getötet wurde, hieß Ian Warren, nehme ich an.«
Der Schäfer nickte.
»Wer sind dann die Mörder? Unsere Kollegen haben ja nichts herausgefunden.«
McBell winkte mit beiden Händen ab. »Bitte, fragen Sie mich nicht. Ich weiß es nicht. Ich kann Ihnen nur versichern, dass ich nicht dabei gewesen bin.«
»Das glauben wir Ihnen sogar. Aber Sie könnten einen Verdacht haben, Mr. McBell.«
Er senkte den Kopf, weil er keinen von uns anschauen wollte. Um ihn herum hatte er einen Panzer aufgebaut, den wir erst auftauen mussten.
Ich versuchte es. »Bitte, Mr. McBell, wir stehen auf einer Seite. Sie müssen reden, und wir sind es auch gewesen, die das Monster vernichtet haben, das Sie attackiert hat.«
»Das weiß ich. Durch die Schüsse, nicht?«
»So ist es. Ich habe das Monster mit geweihten Silberkugeln getötet.« Um den Panzer noch mehr auf zu weichen, zeigte ich ihm mein Kreuz. »Schauen Sie es sich an, Mr. McBell. Ich setze mein Vertrauen genau auf den Gegenstand, den auch Sie in den Händen halten.«
Er schaute sich meinen Talisman an und wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Da erging es ihm wie vielen Menschen, die von dem Anblick einfach überwältigt waren.
»Reicht das?«, fragte ich.
»Ja, ja, und ich will auch nicht fragen, was es mit diesem Kreuz auf sich hat. Nur noch eines. Sind Sie gekommen, um die Kathedrale vom Bösen zu befreien?«
»So ähnlich. Aber wir möchten auch einen Mord aufklären, und dabei sollen Sie uns helfen.«
Julian McBell überlegte einen Moment, bevor er nickte. Er sperrte sich nicht mehr und fing an zu sprechen. »Niemand will es zugeben. Angeblich weiß keiner etwas Genaues, aber ich habe den Verdacht, dass viele daran beteiligt gewesen waren.«
Ich wollte es präziser haben und fragte: »Sie meinen natürlich die Bewohner von Lyness?«
»Ja, Mr. Sinclair. Die halten zusammen wie Pech und Schwefel. Wenn Sie versuchen sollten, diese Mauer des Schweigens aufzureißen, werden Sie kein Glück haben. Da gibt es einen Kitt, der im Laufe der Jahre nicht bröckelig geworden ist, sondern eher fester. Da haben meine Frau und ich auch keine Chance. Ich stamme zwar von der Insel hier, aber meine Frau nicht. Außerdem wohnen wir außerhalb des Ortes, und deshalb sind wir auch Fremdkörper in ihren Augen. Wir haben nicht gesehen, was passiert ist. Der Fremde wurde umgebracht. Die ermittelnden Beamten konnten fragen, was sie wollten, sie bekamen keine Antwort. Niemand wird einem Fremden gegenüber den Mund aufmachen. Damit müssen Sie sich abfinden.«
Bill Conolly hatte schon die ganze Zeit über etwas sagen wollen. Er war nur nicht dazu gekommen, und jetzt regte er sich auf. »Nicht nur, dass so etwas völlig abnorm und unmöglich ist, nein, da regt mich noch etwas anderes auf.« Seine Hände ballten sich zu Fäusten, als wollte er seine Wut auch äußerlich zeigen. »Ich sehe kein Motiv. Ich weiß einfach nicht, was passiert ist. Was hat Ian Warren den Leuten getan? Warum wurde er gekillt, verflucht?«
Der Schäfer wusste, das Bill von ihm eine Antwort erwartete. Die bestand zunächst aus einem Schulterzucken.
»Sie wissen nichts?«
»So ist es, Mr. Conolly. Ich kann wirklich nur darüber spekulieren, mehr nicht.«
»Das ist natürlich schlecht.«
»Ich weiß. Aber bedenken Sie, dass ich nicht zu den Eingeweihten gehöre. Da bleiben eben die Spekulationen bestehen. Man könnte sagen, dass alte Schulden beglichen werden müssen. Dass eine Verantwortung über Generationen hinweg auf die Menschen in dieser Zeit übertragen worden ist. Etwas anderes kann ich Ihnen auch nicht sagen.«
»Sie meinen also, dass früher etwas passiert ist, wofür die Menschen heute noch büßen?«
»So ungefähr.«
»Und was ist es?«
»Da bin ich leider überfragt. Ich weiß es wirklich nicht.«
»Aber es hängt mit der Kirche zusammen«, sagte ich. »Sie muss so etwas wie ein Mittelpunkt
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