Luzifers Kathedrale
bei diesen Temperaturen, die Glätte auf den Pfannen hinterlassen hatten, war es schon ein Risiko.
Ich ging es ein.
Wichtig war, dass ich mir die Punkte merkte, an denen ich mich abstützen konnte. Natürlich hätte ich auch durch die Öffnung in die Kirche klettern können, das wollte ich zunächst vermeiden und mir erst mal einen Überblick verschaffen.
Ich hatte mich schon schräg gestellt, um den besten Stand oder Halt zu bekommen. Trotzdem waren die verdammten Pfannen einfach zu glatt. In der Schrägen konnte ich mich nicht halten, mein rechtes Bein rutschte weg.
Dann ging es abwärts.
Vielleicht stoppte die Kleidung meinen Drang nach unten, aber das Leder meiner gefütterten Jacke rutschte ebenso weiter, da gab es wirklich nichts, was mir noch Halt geben konnte.
Die Kante kam immer näher. Ich hatte Ähnliches schon erlebt, aber da hatte keine Raureifschicht auf der Unterlage gelegen. Durch nichts war ich zu stoppen. Ich musste aus dieser verdammten Falle heraus, schaute mich bei der Rutschpartie um und sah dicht vor der wulstigen Dachrinne ein Kreuz in die Höhe ragen.
Noch im Rutschen drehte ich mich dem Kreuz zu, was mir auch gelang. Meine Waffe hatte ich längst weggesteckt, denn jetzt brauchte ich beide Hände.
Genau im richtigen Augenblick griff ich zu. Ich hätte mir jetzt Krakenarme gewünscht, aber es passte auch so. Ich umklammerte das Kreuz wie ein Mann seine Geliebte und hielt mich eisern daran fest. Zwar bekam der Körper noch einen Drall nach rechts, aber das machte nichts. Halt genug hatte ich gefunden. Die Rutschpartie war vorläufig gestoppt, und ich konnte aufatmen.
Erst jetzt war ich wieder in der Lage, mich mit meiner Umgebung zu beschäftigen. Allerdings nicht mit der, die mich umgab, sondern mit dem, was von unten her hochflackerte.
Der letzte rötliche Schein erreichte fast den Dachrand. Es war nicht ruhig, so dass ich nur eines daraus folgend konnte. Da unten waren Menschen, die Fackeln angezündet hatten und das Licht nun in die Dunkelheit hineinschickten.
Das Kreuz hatte mir einen guten Halt gegeben. Ich hätte hier oben sitzen und festfrieren können, aber genau das wollte ich nicht tun. Um etwas zu erkennen, musste ich näher an den Dachrand heran, was auch nicht einfach werden würde, auch wenn die Strecke bis dorthin nicht sehr weit war. Es gab Probleme, aber ich vertraute auf mein Können und auch etwas auf mein Glück.
Sehr vorsichtig löste ich mich vom steinernen Kreuz. Beide Beine hielt ich nach vom gestreckt, um mich am Dachrand abstützen zu können, wo die Rinne tatsächlich wie ein Wulst Vorstand.
Um Himmels willen, nur nicht schneller werden. Ich war plötzlich ohne Halt, glitt weiter – und stieß mit den Füßen gegen die Rinne, in der sich altes Laub gesammelt hatte, das jetzt steif gefroren war.
Geschafft!
Mein Herz klopfte rasend, und ich musste tief durchatmen, um mich wieder einigermaßen zu beruhigen. In den vergangenen Sekunden hatte ich die Kälte so gut wie nicht gespürt, weil ich zu sehr mit mir selbst beschäftigt gewesen war. Jetzt merkte ich sie wieder. Der Wind trieb sie wie einen Eishauch über das Dach hinweg, und sie biss wütend in meine Gesichtshaut.
Noch lag ich nicht so, um nach unten schauen zu können. Ich musste mich zur Seite bewegen und mich dabei an der Rinne abstützen. Es war eine höllische Arbeit. Ich geriet fast ins Schwitzen. Jede unbedachte Bewegung konnte mich zum unfreiwilligen Flieger machen, aber das passierte zu meinem Glück nicht.
Als ich endlich in der richtigen Position lag, hatte ich zwar das Gefühl der Freude in mir, zugleich aber stellte ich fest, dass mir die Nase fast zugefroren war. Jedenfalls bekam ich Schwierigkeiten, wenn ich Luft holen wollte, und schaffte es nur durch den Mund. Ich ließ noch einige Sekunden verstreichen, bevor ich meinen Kopf drehte und mich der Rinne so nah wie möglich näherte.
Wenig später warf ich einen ersten Blick nach unten!
Ja, ich hatte mich nicht getäuscht. Auf dem Boden vor der Kirche hatte sich einiges getan. Dort brannten die Fackeln, die an einem offenen Leiterwagen, der von einem Traktor gezogen wurde, festgesteckt worden waren. Sie gaben der winterkalten Szenerie ein gespenstisches Flair. Aus mehreren Farben setzten sie sich zusammen. Mal gaben sie ein dunkles Rot ab, dann wieder ein gefärbtes Gelb. Um sie herum stieg Qualm in die Höhe, aber sie strahlten ihr Flackerlicht auch gegen den Boden.
Dort lagen zwei Männer!
Im Detail erkannte ich sie nicht aus
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