Luzifers Kriegerin (Die Londoner Drakulia Vampire #3) (German Edition)
schließlich hier, an diesem Punkt angelangt war.
Sie schloss die Augen und dachte daran, wie es früher gewesen war, was ihre Träume von damals gewesen waren ... und was jetzt aus ihr werden sollte.
Es würde keine Hochzeit geben, und sie würde keine Kinder gebären, wovon sie als Mädchen immer geträumt hatte. Keine Familie, kein Haushalt, den sie führen musste. Keine Freundinnen, mit denen sie tratschen konnte.
In der Jahren ihrer Gefangenschaft bei ihrem Bruder, war ihr einziges Ziel die Freiheit gewesen – sie hatte nie darüber nachgedacht, wie ihr Leben aussehen sollte, wenn sie einmal ihre Unabhängigkeit erlangt hatte.
Aber jetzt, da sie ihre Freiheit erlangt hatte, jetzt, da sie kein Ziel mehr hatte, das sie anstreben konnte, von dem sie träumen konnte ... was hatte sie denn?
Wer sollte sie nun sein? Was würde sie tun, Tag für Tag? Wie würde sie dieses unsterbliche, endlose Leben verbringen, das an einem fernen Tag, am Tag des Gerichts, mit ihr und Luzifer auf ewig vereint, in der Hölle enden würde?
Es war nicht das erste Mal, dass ihr derlei Gedanken in den Sinn kamen, aber diesmal war sie außerstande, sie zu ignorieren, sie hatten sich in ihrem Kopf festgesetzt, festgebissen und ließen sich nicht mehr verscheuchen.
Es lag schon über hundert Jahre zurück, dass sie eine Wahl gehabt hatte – was sie anziehen sollte, was sie tun konnte, wohin sie gehen wollte und mit wem. Aber jetzt, das sie die Wahl hatte ... was jetzt?
Vor ihr lagen Jahrhunderte um Jahrhunderte um Jahrhunderte, die sich vor ihrem inneren Auge endlos ausdehnten... Die Decke war zu warm geworden, erstickte sie, so wie auch ihre Gedanken sie erstickten, und Narcise warf sie von sich. Sie stand auf und ging unruhig im Zimmer auf und ab, nur in ein geborgtes, dünnes Untergewand gekleidet, und die Nässe aus ihrem feuchten Haar kroch ihr durch den Stoff an ihrem Rücken und an den Schultern.
Seit sie aus Paris geflohen war, hatte sie sich entweder versteckt oder war unterwegs oder wartete auf jemanden, der ihr sagte, was sie tun sollte – und nichts davon fühlte sich sonderlich angenehm oder erfüllend an.
Es war nicht etwas, was sie für den Rest ihres Lebens zu tun beabsichtigte.
Und das änderte sich jetzt. Gleich.
Plötzlich berauscht von ihrem Beschluss, klingelte sie nach der Zofe. Zumindest könnte sie dieses Zimmer hier verlassen und Chas unten bei ihrer irisch eingefärbten Gastgeberin treffen.
Rubey hatte sie herzlich willkommen geheißen, obschon Narcise einen mehr als flüchtigen Blick auf sich ruhen spürte, als Rubey sie aufmerksam anschaute. Die Inhaberin des Hauses, eben Rubey, war passenderweise (und vielleicht auf nicht ganz natürliche Weise) ein Rotschopf mit einer prachtvoll glänzenden Mähne aus Locken: Das Haar war rotblond und zu einer höchst modischen Frisur drapiert, mit kleinen Löckchen, die ihr um die Wangen spielten, und mit glitzernden Kämmen, die alles festgesteckt hielten. Gekleidet war sie ebenso modisch und trug nur sehr gut geschneiderte Teile: Rubeys Kleid aus einer Seide von strahlendem Himmelblau gab Narcise in ihrem Tageskleid aus Musselin das Gefühl, wenig mehr als abgelegte Kleider der Dienerschaft zu tragen. Das war auch teilweise der Grund, warum sie einem Bad sofort zugestimmt hatte, bevor man sich wieder zu einem Gespräch zusammensetzte.
Die Frau ihr gegenüber war jünger und attraktiver, als Narcise erwartet hatte; denn das Etablissement war schon seit mehreren Jahrzehnten ein beliebter Versammlungsort unter den Drakule. Sie hatte jemand deutlich älteres erwartet als Rubey, die wohl gerade mal vier Dekaden für sich in Anspruch nehmen konnte – und noch dazu vier sehr gut erhaltene Dekaden, diese Rubey.
Die Zofe war genauso tüchtig und umtriebig wie ihre Herrin, und als Narcise in ein deutlich saubereres, weicheres Kleid gewandet war, das ihr auch deutlich besser zu Gesicht stand, verließ sie auch schon das Zimmer und schlüpfte hinaus, ohne die Zofe zu fragen, wohin sie am besten gehen sollte.
Rubey war offensichtlich eine recht erfolgreiche Inhaberin, wenn man sich das Dekor und die luxuriöse Ausstattung und Einrichtung ihres Hauses betrachtete. Aber Narcise vergeudete wenig Zeit damit, die reich verzierten Spiegel und eleganten Möbelstücke zu betrachten, obwohl sie vor einigen der Gemälde kurz verweilte. Da war ein Vermeer! Und ein van Honthorst, bei dem sie lächeln musste, denn er passte hervorragend in ein Freudenhaus: eine junge Frau spielte da
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