Lycana
dass die Wildes und Bram Stoker sich als vertrauendswürdig erweisen würden. Dass den Besuchern aus Dublin der Plan, ein Waffenlager der englischen Armee zu plündern, nicht behagte, zeigten sie offen. Ganz im Gegensatz zu Myles’ Männern, die von dem Plan begeistert waren.
»Der Aufstand wird vorbei sein, ehe er recht begonnen hat. Glaubt ihr, sie werden es einfach so hinnehmen, wenn Wagenladungen von Waffen aus einem ihrer Zeughäuser verschwinden?«, sagte Bram Stoker und sah ernst in die Runde.
»Was wollen sie denn tun?«, widersprach Fynn. »Ehe sie etwas gemerkt haben, sind wir verschwunden und mit uns ihre Waffen. In den Mooren und Bergen kennen sich die Engländer nicht aus - wir aber umso besser. Es gibt Höhlen, die sie nicht finden werden, falls sie sich überhaupt bis hierher wagen!«
»So ist es recht!«, rief Mac Gaoth mit seiner tiefen, etwas kratzigen Stimme, die Nellie bei jedem Wort zusammenzucken ließ. »Holt euch, was euch zusteht! Seid mutig und ihr werdet belohnt. Euer Blut für die Freiheit Irlands!«
Bei den letzten Worten hob er die Faust in die Luft und die Männer taten es ihm gleich und wiederholten seinen Ruf. Auch Nellies Bruder Cowan stimmte in den Schlachtruf ein. Mac Gaoth kreuzte Nellies Blick. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Es war nicht freundlich. Es kam ihr schadenfroh vor, mehr noch, abgrundtief böse. Spürten die Männer das denn nicht? Nellie hatte das Gefühl, ein Tor zur Hölle öffne sich vor ihren Füßen, und die Männer und Frauen, die sie seit ihrer Kindheit kannte und liebte, marschierten direkt hinein, noch immer auf einen Sieg hoffend, den es nicht geben würde.
Mac Gaoth beugte sich zu ihr herüber. Sein Raubtiergeruch hüllte sie ein und ließ sie würgen. »Welch gefährliche Gedanken für ein kleines Mädchen. Spare dir die Mühe, sie würden dir nicht einmal zuhören. Geh heim und spiele mit deinen Puppen. Hier hast du nichts verloren.« Sein Grinsen wurde noch bedrohlicher. »Ich verspreche dir, ich werde dich besuchen, wenn dies hier vorbei ist, und dir die Einsamkeit vertreiben.«
Nellie hatte das Gefühl, sie müsse sich übergeben. Sie schob sich an Cowan und ihrem Vater vorbei und eilte zur anderen Seite der Hütte. Nur weit, weit weg von diesem unheimlichen Kerl. Bram Stoker schien der Einzige, der bemerkte, wie verstört sie war. Er trat zu ihr.
»Ist dir nicht gut, mein Mädchen? Setz dich doch. Du bist ganz weiß im Gesicht.« Seine besorgte Miene tat ihr gut.
»Sie sollten das nicht tun«, piepste sie. »Dieses Waffenlager überfallen. Es wird ihr Verderben sein.«
Bram Stoker nickte. »Ich bin ganz deiner Meinung. Das sollten sie nicht tun!«
Ruhelos wanderte Bram Stoker durch die Nacht. Es war bereits weit nach Mitternacht. Er verließ Oughterard und folgte dem Karrenweg nach Süden bis zu der nächsten Ortschaft, die viel kleiner war und nur aus wenigen Häusern und Scheunen bestand. Ein Weg zweigte nach Osten ab, vermutlich führte er zum Lough hinunter. Bram beschloss, ihm zu folgen, um dann am Ufer entlang zum Gasthaus in Oughterard zurückzukehren. Er dachte über das Treffen in der Hütte nach und den anschließenden Streit zwischen Lady Wilde und ihrem Sohn. Oscar hatte sie beschworen, sofort die Heimreise anzutreten und sich von dieser Geschichte zu distanzieren.
»Sieh dir diesen armseligen Haufen an! Meinst du wirklich, sie können etwas bewegen? Ein besseres Irland schaffen? Das kannst du nicht ernsthaft glauben! Das Einzige, was passieren wird, ist, dass sie sich die Köpfe einrennen und dem Parlament wieder einen Anlass geben, irgendwelche Repressalien zu beschließen.«
»Wenn man nichts wagt, kann man auch nichts ändern«, hatte die Lady entgegnet, aber Bram kam es so vor, als würde sie allein aus Trotz die Position der Verschwörer einnehmen.
»Die Männer und Frauen, die wir gesehen haben, sind ja nur die Abgesandten der Gruppen, und sie haben versichert, dass sie mit anderen Zellen im engen Austausch stehen, um gemeinsam losschlagen zu können. Sie brauchen eine Stimme in Dublin. Meine Stimme, um die Menschen aufzurütteln, die Aufständischen zu unterstützen.«
Oscar hatte nun den Fehler begangen, seine Mutter darauf hinzuweisen, dass sie nicht mehr die junge Rebellin, sondern eine respektable Lady fortgeschrittenen Alters sei. Ein kurzer Blick in Lady Wildes Miene hatte Bram zu seiner feigen Flucht aus dem Gasthaus veranlasst. Nun fragte er sich, ob er die beiden bei seiner Rückkehr immer
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