Lycana
Leopold ein schwaches Lächeln, doch dann sah sie ihre verbrannte Hand und der Schreck ließ ihre Züge erstarren. Sie schielte ihren Arm hinauf zu ihrer Schulter und griff dann hektisch mit der unversehrten Hand an ihre Wange und in ihr Haar; von der einstigen silbernen Pracht war auf dieser Seite nur noch ein verkohlter Rest übrig. Ihre Miene wandelte sich zu blankem Entsetzen. »Seymour!«, rief sie schrill. »Was soll ich jetzt tun?« Der Wolf jaulte und drückte sich noch näher an sie.
»Du tust heute Nacht gar nichts mehr«, sagte Franz Leopold sanft und legte den Arm um ihre Taille. »Ich trage dich zu deinem Sarg und dann werden deine Wunden bald heilen. Die Schmerzen sind sicher schrecklich, aber sie vergehen. Es war nur normales Feuer! Mervyn ist schlimmer dran!«
Ivy fuhr hoch. »Das Schwert! Das silberne Schwert hat ihn verletzt! Wo ist er?«
Mit einem schiefen Lächeln trat Mervyn näher. Sören hatte ihm bereits den Kittel heruntergezogen und die Wunde an der Schulter fest verbunden. Dennoch sickerte noch immer dunkles Blut durch den Verband.
»Sorge dich nicht, Cousinchen, Tara wird das Gift schon aus mir herausziehen - wenn sie sich mal wieder hier blicken lässt.«
Alisa befreite sich von Malcolm und sprang auf. »Ich habe Taras Fläschchen noch in meinem Bündel oben. Es hat Seymour geholfen und auch meine Wunde, die ich in Rom davongetragen habe, schnell geheilt.«
Sie lief in den Turm und die Wendeltreppe hinauf bis in den oberen Saal. Auf dem Rückweg hielt sie am Fuß der Treppe kurz inne und warf einen Blick in den Lagerraum, dessen Wände nun von Ruß bedeckt waren. Die Holzsärge waren völlig verbrannt, nur noch zwei seltsam verformte Metallkisten waren auszumachen.
Arme Áine, dachte Alisa. Für dich gab es kein Entrinnen. Sie wandte sich ab, um Mervyn die Tinktur zu bringen. Mit Sörens Hilfe öffnete sie den Verband noch einmal, träufelte die magische Flüssigkeit in die Wunde und band die Stoffstreifen dann wieder fest. Gemeinsam halfen sie Mervyn die Treppe hinauf und legten ihn in seinen Sarg.
Die anderen schienen immer noch unter Schock zu stehen, der sie nur langsam aus seinem Griff entließ. Ivy sah sich um, doch außer ihr und Mervyn schien keiner mehr als ein paar Brandblasen und ein wenig geschwärzter Haut abbekommen zu haben. Außer Ireen! Ivy sprang auf. Der Schmerz ließ sie wanken, und sie taumelte gegen Franz Leopold, der sie auffing. Er legte fest den Arm um ihre Taille.
»Ireen!«, stöhnte sie. Malcolm fuhr herum.
»Sie liegt dort drüben!«, gab Karl Philipp ungerührt Auskunft. Malcolm, Ivy und Franz Leopold gingen langsam über die Wiese auf den gefallenen Körper zu, neben dem eine Gestalt kniete. Es war Rowena, die sich über ihrer Cousine gebeugt hatte.
»Sie haben sie ausgelöscht«, sagte Rowena bitter. »Ich habe sie gewarnt, doch sie meinte, es sei zu spät umzukehren!«
Malcolm ließ sich neben ihr in die Hocke sinken. Der Anblick schmerzte ihn. Ihr Herz war von der silbernen Klinge durchbohrt worden. Ireen war vernichtet.
»Wovor hast du sie gewarnt?«, fragte Ivy leise.
»Diesen Vampiren zu trauen und den Pakt zu erfüllen! Sie haben ihre ältere Schwester Anne entführt, an der sie sehr gehangen hat, und ihr gedroht, sie qualvoll im Sonnenlicht verbrennen zu lassen, wenn Ireen nicht ein paar Dinge für sie tut. Sie haben ihr eine Dose mit kleinen Fledermäusen gegeben, über die sie mit ihnen Kontakt halten sollte.«
»Damit sie unsere Spur nicht verlieren!« Ivy nickte.
»Warum nur hat sie sich darauf eingelassen und nichts gesagt?« Malcolm konnte es nicht fassen. »Diese Vampire, wer auch immer sie waren, wollten die Erben aller Familien auslöschen!«
»Sie hat Anne sehr geliebt. Außerdem sagten sie, es gehe ihnen nur um die Erben der Lycana.«
»Was?«
»Ja, sie behaupteten, sie wollten sie nur entführen. Ireen war immer schon ein wenig einfältig. Sie hat ihnen geglaubt, dass sie ihnen nichts antun, aber mir war sofort klar, dass das eine Lüge sein musste.« Rowena sah Ivy direkt ins Gesicht. »Es war für die Fremden vermutlich nicht schwer, Ireen zu überzeugen. Schließlich halten die Engländer die Iren schon seit Jahrhunderten für minderwertig und durchaus entbehrlich oder halten es zumindest für gerechtfertigt, sie zu knechten und auszubeuten - schließlich weigern sie sich, den wahren Glauben anzunehmen! Die Meinung der Vyrad über die Lycana unterscheidet sich kaum von jener der Menschen!« In Malcolms Miene
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