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Lycana

Lycana

Titel: Lycana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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vermutlich hörten die Männer ihre Worte nicht. Sie versammelten sich hinter der Tür und stießen sie dann auf. Der warme Schein der Lampe schwappte über die Schwelle und flutete über morastigen Boden und niedergetretenes Gras, über Büsche und Unkraut. Áine hatte sich längst abgewandt und verschwand lautlos.
    »Hier ist niemand«, sagte einer der Männer, der eine Axt in beiden Händen hielt.
    »Wir haben auch nichts gefunden, Myles«, bestätigte der, der die Gruppe von der Hintertür her um die Hütte herumführte.
    Myles sog die Luft ein und sah sich misstrauisch um. Dann sank er in die Hocke und betrachtete die Fußspuren im Morast. »Und doch könnte ich schwören, dass Nellie sich nicht geirrt hat.«
    Die anderen zuckten nur mit den Schultern. »Das sind alles nur unsere eigenen Spuren.«
    »Können wir uns da ganz sicher sein?«, fragte Myles und sah in die Runde. Die anderen schwiegen. Er erhob sich und folgte ihnen in die Hütte zurück. »Vielleicht sollten wir es heute dabei belassen. Und das nächste Mal bringen wir die Bluthunde mit.«
     Unbeschwert lief Áine durch die Nacht. Myles’ letzte Worte vernahm sie nicht mehr.
     
    Die jungen Vampire lagen in ihren Särgen und dämmerten dem Sonnenaufgang entgegen. Alisa lag zwischen ihren Zeitungen und Büchern, Luciano hatte die Hand um ein kleines Samtsäckchen geschlossen, das eine silberne Haarsträhne enthielt. Nur Franz Leopold war unbemerkt wieder aus seinem Sarg geschlüpft, strich nun an den Sarkophagen entlang und lauschte den Gedanken derer, die darin ruhten. Er ging von den Särgen der Dracas an denen der Vamalia, der Nosferas und der Pyras vorbei. Er stutzte, als ein Gedankenfetzen ihn streifte, der ihm seltsam vorkam. Dann erreichte ihn ein Bild aus Malcolms Sarg, das eindeutig Alisa in einer verführerischen Pose zeigte. Franz Leopold zog eine Grimasse und wanderte weiter. Die jungen Lycana ruhten nicht hier in diesem Raum. Mervyn war ihm egal, doch wo stand Ivys Sarg? Bei denen der anderen Clanmitglieder? Vielleicht im oberen Stockwerk über der großen Halle.
    Franz Leopold trat in den kleinen Hof hinaus und blieb dann zögernd stehen. Die Servienten hatten sich in dem Gebäude auf der anderen Seite bereits zur Ruhe gelegt. Das hoffte er jedenfalls. Matthias’ Anwesenheit konnte er im Moment nicht brauchen. Also, wohin nun? Er sah sich suchend um. Plötzlich glaubte er, unter dem Torbogen auf der Nordseite etwas Weißes auf blitzen zu sehen. Er durchquerte den Hof und trat durch den Bogen. Sein Blick glitt über die brüchige Steinbrüstung auf die Weite des Meeres hinaus, das unter dem verblassenden Himmel wie Perlmutt schimmerte. Dann entdeckte er die Gestalt, die links neben  dem halb verfallenen Turm an der Brüstung stand und über das Meer hinausschaute. Der Wolf zu ihren Füßen wandte sich um und starrte ihn aus seinen gelben Augen an, doch Ivy zeigte keine Anzeichen, dass sie ihn bemerkt hatte. Ohne den Wolf aus den Augen zu lassen, trat Franz Leopold näher.
    »Solltest du nicht in deinem Sarg sein?«, fragte Ivy, ohne sich umzudrehen. Vermutlich wusste sie von seiner Anwesenheit, seit er den Schlafraum verlassen hatte. Es war schwer, etwas vor ihr zu verbergen.
    »Du nicht ebenfalls?«, sagte er nur und trat neben sie an die Brüstung, unter der der Fels bis ins schäumende Meer abbrach. Franz Leopold zog ein kleines Päckchen aus der Tasche und reichte es Ivy.
    »Ein Geschenk? Für mich?«
    Verlegen wandte er den Blick ab. »Ach, nichts Besonderes. Es ist mir zufällig in die Hände geraten.« Welche Mühe es Matthias gekostet hatte, es zu bekommen, erwähnte er nicht.
    Ivy wickelte es aus und sah auf das Buch hinab. »Geschichten über Werwölfe«, las sie und verstummte dann. »Das ist sicher eine spannende Lektüre. Ich danke dir«, sagte sie nach einer langen Pause und steckte das Büchlein in ihre Tasche.
    Franz Leopold kam sich plötzlich einfältig vor. Er beugte sich über die Brüstung, als gäbe es dort unten etwas Faszinierendes zu entdecken. War hier unter ihnen nicht der Zugang zu der Grotte, in der ihr Schiff angelegt hatte?
    »Die Aussicht ist herrlich, nicht wahr?« Ivy lächelte ihn an. »Ich liebe die Zeit des Morgengrauens, wenn die Samtfarben der Nacht verblassen und der Himmel sich zaghaft zu färben beginnt. Welch ein Spiel prächtig schillernder Farben, das wir in der Nacht niemals zu sehen bekommen. Da ist nur alles düster blau, grau und schwarz. Der Beginn des Tages ist ein lockendes

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