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Lycana

Lycana

Titel: Lycana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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diesem Moment auf die Knie sank.
    »Es tut mir leid«, hauchte er und schloss die Augen. »Wir müssen zurück. Uns in Sicherheit bringen. Sonst werden sie uns vernichten!«
    »Leo, steh auf«, flüsterte sie eindringlich in sein Ohr und zog an seinem Ellenbogen. Zu seinem Erstaunen gehorchte sein Körper und ließ sich bis zur Treppe zurückgeleiten. Er konnte zwar nichts mehr sehen, doch seine Hände fühlten wieder die gerundete Wand. Dann spürte er, wie seine Beine ein zweites Mal nachgaben und er auf eine Treppenstufe sank. Seymour winselte und stupste ihm auffordernd gegen die Wange, doch Kraft und Willen waren restlos aufgezehrt. Die Natur forderte ihren Tribut.
    »Seymour, was machen wir jetzt? Wir müssen hier schnellstens verschwinden und den Zugang zur Burg blockieren.«
    Der Wolf antwortete ihr in seiner Sprache. Franz Leopold fühlte Ivys Hand an seiner Wange. Ihr Atem strich über sein Ohr. Dann glaubte er, ihre kühlen Lippen auf den seinen zu spüren. Wie kam sein Geist nur dazu, ihm so etwas vorzugaukeln? Eine fremde Stimme hallte durch die Finsternis, dann kam es ihm vor, als griffen Hände nach ihm und höben ihn hoch. Er wurde getragen. Dann schwebte sein Geist endgültig davon.
     

UNGEBETENE BESUCHER
    »Eine Prise?« Der drahtige, kleine Mann zog eine verbeulte Dose aus der Hosentasche und hielt sie dem anderen hin. Der bediente sich großzügig von dem Schnupftabak, nieste zweimal und schnäuzte sich in seinen Ärmel.
    »Fergal, mach nicht ein Gesicht wie drei Wochen Sturm!«, sagte der Drahtige und hieb dem anderen, der ihn nicht nur um einen Kopf überragte, sondern auch doppelt so breit war, kameradschaftlich auf den Rücken.
    »Angus, die Sache schmeckt mir nicht«, sagte der und spuckte auf den Boden. »Wenn ich nur daran denke …«
    »Ach, du weißt, dass das Denken nicht deine Stärke ist. Dafür kannst du zupacken, wenn es gefragt ist. Mir gefällt dieser Klang ganz außerordentlich und alles andere interessiert mich nicht!« Er klimperte mit ein paar Münzen, die er in der Tasche trug.
    Ein dritter Mann kam an Deck und gesellte sich zu den beiden. Er musste die Worte gehört haben, denn er sagte: »Angus, du bist und bleibst ein Esel. Ein geldgieriger, dummer Esel!«
    »Ich bin nicht nur gierig nach Geld, nun habe ich es auch reichlich in der Tasche, und du in deiner auch, Liam.«
    Der Seemann stützte die Ellenbogen auf die Reling und ließ den Blick über das kleine Hafenbecken schweifen, in dem die Dobharchu seit dem frühen Morgen vertäut lag. Im Gegensatz zu den anderen Booten hier hatte die Dobharchu allerdings weder Fisch noch Muscheln oder Krebse gebracht, um sie auf dem Markt zu verkaufen. Ihr Laderaum war leer und würde es bleiben, bis der Schreiner die fünf bestellten Kisten lieferte. Noch vor Einbruch der Nacht, so lautete die Abmachung.
    »Angus, sag mir eines. Was nützt dir das Geld, wenn du tot  bist oder Schlimmeres?« Der drahtige Seemann zuckte mit den Achseln.
    »Nein, nimm das nicht so auf die leichte Schulter. Ich sehe es nicht, dass wir da mit heiler Haut wieder herauskommen und uns auch noch des Geldes erfreuen dürfen.«
    »Warum hast du dich dann darauf eingelassen?«, fuhr ihn Angus an.
    »Ich hab mir am Anfang nichts Böses dabei gedacht«, sagte Fergal.
    »Was für ein Wunder«, giftete ihn Angus an. »Dass du den Kopf nur hast, um dein Ungeziefer spazieren zu tragen, wissen wir. Aber was hat Liam für eine Ausrede. Oder kam es dir nicht verdächtig vor?«
    »Dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Auftrag handeln konnte, wussten wir alle spätestens, als uns dieser bleiche Kerl die Summe nannte, die er zu zahlen bereit war. Doch ich dachte an Schmuggelware oder Waffen. Dass wir es mit den Kräften des Bösen zu tun bekommen, darauf war ich nicht vorbereitet - und dann habe ich mir eingeredet, sie würden uns schon in Ruhe lassen. Schließlich brauchten sie uns, das Schiff zu steuern und sie zu ihrem Ziel zu bringen. Dann würden wir sie aussteigen lassen, das Geld kassieren und uns auf Nimmerwiedersehen davonmachen. Ja, so dachte ich zu Anfang.«
    »Aber jetzt nicht mehr«, ergänzte Columban, der vierte Mann der Crew, der vom Schreiner zurückgekehrt war und gerade an Bord stieg. Er sah kränklich aus und wirkte heute fast so bleich wie die unheimlichen Gäste, die sie in den Laderäumen transportiert hatten, obwohl sein Gesicht sonst wie das aller Seeleute von Wind und Sonne gebräunt war. Er stellte sich zum Rest der Mannschaft und nahm sich

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