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Lycana

Lycana

Titel: Lycana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Versprechen unglaublicher Pracht, die uns jedoch immer verwehrt sein wird.«
    Franz Leopold rückte ein wenig näher heran, nicht jedoch ohne dem Wolf einen schnellen Blick zuzuwerfen. Seymour starrte ihn  noch immer an, schien jedoch keine Gefahr für seine Herrin zu wittern und blieb daher ruhig sitzen.
    »Ich habe mir niemals Gedanken über die Farben des Tages gemacht. Kann es noch mehr geben als die Pracht der Kleider, die die Frauen in der Oper oder den Ballsälen tragen? Ich denke nicht!«
    Ivy schenkte ihm ein kurzes Lächeln. »Ich weiß es nicht. Ich habe noch keinen Ballsaal gesehen. Vielleicht hegt man seltsame Gedanken, wenn man unter so vielen Schafen aufwächst.«
    Franz Leopold lächelte zurück. »Daran kann es nicht liegen. Wenn die Schafe Einfluss auf dich gehabt hätten, wäre deine Geisteswelt jetzt eine trübe, neblige Brühe, die sich mit kaum mehr als Gras beschäftigen würde.«
    »Saftiges Gras, das wie Smaragde im Sonnenlicht schimmert«, sagte Ivy und kicherte.
    Franz Leopold verdrehte die Augen. »Bitte lass uns das Thema wechseln.«
    »Gut, keine Schafe mehr, ich verspreche es!«
    Was redeten sie nur für einen Unsinn! Und doch hätte er noch Stunden hier neben ihr stehen wollen und einfach ihrer Stimme lauschen. Sie hatte die Hände auf die steinerne Brüstung gelegt. Wie schmal und zart ihre Finger waren. Seine Hand lag kaum ein paar Zoll neben der ihren. Er musste den Stein fest umklammern, damit sie nicht aus Versehen näher heranrückte. Ivy trug noch immer diesen Ring in Form einer Echse, der ihm bereits bei ihrem Abschied in Rom aufgefallen war. Sie schien seinen Blick zu spüren. Hastig zog sie die Hand zurück und verbarg sie unter dem silbrigen Stoff ihres Gewandes.
    »Nun, worüber sollen wir dann reden? Ich kann dir ein wenig über Dunluce Castle erzählen, wenn es dich interessiert.«
    Es war ihm egal, worüber sie redete, Hauptsache, der Klang ihrer Stimme versiegte nicht, daher nickte er.
    »Du weißt vermutlich schon, dass die erste Burg hier auf diesem Felsen bereits von den Kelten errichtet wurde.«
    Den Kopf ein wenig schief gelegt, betrachtete er Ivys Profil, das sich immer heller gegen die grob behauenen schwarzen Steine der Turmmauer abhob, während das Meer wie ihr Haar zu schimmern begann.
    »Die Grundmauern, die du hier siehst, stammen von einer späteren Anlage aus dem 13. Jahrhundert. Die Burg wurde oft belagert, denn der Platz war begehrt, aber erst im 16. Jahrhundert gelang es einem MacDonnell aus Schottland, Dunluce einzunehmen. Er ließ sich hier nieder, bis im Jahr 1639 ein Sturm die Grundfesten der Burg erschütterte.« Ivy mache eine dramatische Pause.
    »Und dann? Sind die MacDonnells vor ein bisschen Wind geflohen?«, spottete Franz Leopold.
    »Das Meer hat sich in dieser Nacht einen Teil der Burg geholt. Wenn ich die Augen schließe, dann meine ich, es fühlen zu können. Wie der Sturm um die Mauern heult und die haushohen Wogen gegen die Felsen donnern, dass die Grundfesten der Burg erzittern. Die Familie saß wohl im Saal des Manor House, wärmte sich vor dem großen Kamin und wartete auf das Mahl, das die Dienerschaft hier in der Küche vorbereitete. Ich weiß nicht, ob sie so beschäftigt waren, dass sie das Knacken und Beben nicht spürten, oder ob die Furcht vor ihrem gestrengen Herrn sie ausharren ließ, bis es zu spät war. Welle um Welle rollte heran und zerstob an der Felswand, doch jede nahm ein wenig der Klippe mit sich, höhlte die Grotte weiter aus, weitete Spalten und brach Stücke aus dem Fels.«
    »Bis sie in sich zusammenstürzte!«
    »Ja, bis sie zusammenstürzte, die Außenmauer mitriss und einen Teil der Türme, die Vorratskammer und die Küche samt den Bediensteten, die darin arbeiteten. Alles versank im Strudel der aufgewühlten See und wurde ins Meer hinausgesogen. Darauf hin bestand die Herrin des Hauses darauf, die Burg zu verlassen.«
    Schweigend sahen sie auf das heute glatte Wasser hinaus, das in jener Nacht wie ein Hexenkessel gewütet haben musste.
    Franz Leopold gähnte herzhaft. »Verzeih, es hat nichts mit deiner Geschichte zu tun. Ich könnte noch stundenlang mit dir hier stehen …« Ein weiteres Gähnen beendete seinen Satz. Ivys Gesicht verschwamm vor seinen Augen. Die Sonne musste in ein paar Minuten aufgehen, und dennoch stand sie an der Brüstung und sah in die Ferne.
    »Unsere Zeit ist abgelaufen«, sagte er schleppend. »Lass uns zu unseren Särgen gehen.« Er wandte sich ab und tappte schwerfällig auf den

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