Lycana
schimpfte Alisa. »Wie wäre es mit: Danke für das Kompliment?«
»Eine Selbstverständlichkeit zu erwähnen, ist kein Kompliment«, gab Franz Leopold kalt zurück. »Ja, es grenzt sogar an eine Beleidigung. Bedeutet es nicht, dass der andere deine Fähigkeiten bis dahin völlig unterschätzt hat?«
»Ach, dann willst du Ivy unterstellen, sie habe dich mit dieser Bemerkung beleidigen wollen?«, rief Alisa hitzig.
»Jetzt hört doch mal mit dieser kindischen Streiterei auf und dämpft eure Stimmen!«, fuhr sie Luciano an. »Warum haben wir uns erst angeschlichen, wenn wir dann so herumbrüllen? Seht, dort drüben sind noch einmal zwei, und wenn ich mich nicht täusche, halten sich zwei weitere unten in der Bucht verborgen, für den Fall, dass die Fremden mit einem Boot anlanden wollen. Wir kommen also genauso wenig wie die Eindringlinge ungesehen an die Hütte heran.«
»Das ist ja auch nicht unser Ziel«, belehrte ihn Alisa. »Wir wollen nur sehen, was hier passiert.«
Für eine Weile schwiegen sie und behielten sowohl die Hütte als auch die Lycana im Auge, die sie bewachten.
»Ich glaube nicht, dass sie uns so einfach in die Falle gehen«, sagte Ivy plötzlich. »Noch immer liegt der Brandgeruch der zerstörten Särge in der Luft. Das wird sie frühzeitig warnen.«
Alisa atmete tief ein. »Können sie den Geruch ihn nicht für eins der Feuer halten, die die Menschen entfachen, um sich zu wärmen oder ihr Essen zuzubereiten?«
»Selbst hier in der Gegend heizen und kochen die Menschen mit Torf. Das ist billiger als Kohle oder gar Holz, das in Irland zu einem wertvollen Gut geworden ist, nachdem sich über Jahrhunderte hinweg keiner gescheut hat, die Insel von ihrem Kleid aus Wäldern zu befreien. Ein Torffeuer riecht ganz anders als verbranntes Holz!«
»Die meisten Vampire machen sich nicht viele Gedanken über die Menschen - solange sie nur reichlich vorhanden sind und uns zur Stärkung dienen.« Luciano zögerte kurz, ehe er sagte: »Wenn wir nur wüssten, aus welcher Richtung sie sich nähern, dann könnten wir ihnen dort auflauern.«
»Oder wir folgen der Aura der fremden Vampire. Wer weiß, vielleicht ist ihr Versteck näher, als wir glauben.« Wieder trat dieses Funkeln in Franz Leopolds Blick, das ihm, trotz seiner makellosen Schönheit, etwas von einem Raubtier verlieh.
Alisa nickte. »Dort oben, als wir den Bogen schlugen, haben wir ihre Fährte gekreuzt. Das wäre ein Anfang.«
»Bist du dir sicher?«, hakte Luciano nach. »Ich habe nichts bemerkt.«
»Natürlich nicht!«, murmelte Franz Leopold, doch Ivy unterbrach ihn.
»Seymour und ich haben sie auch gewittert.«
Alisa begann bereits, sich auf allen vieren zurückzuziehen, bis sie von den Lycana nicht mehr gesehen werden konnten. Die anderen folgten ihr. Sie liefen in geduckter Haltung bis zu der Stelle, an der sie die Spur wahrgenommen hatten. Etwas widerstrebend musste Franz Leopold eingestehen, dass die beiden Mädchen recht hatten.
»Vermutlich hat Seymour die Fährte entdeckt«, brummte er, beließ es aber dabei. Das Jagdfieber hatte ihn ergriffen. Ein wenig nach vorn gebeugt, die Augen und alle anderen Sinne auf den Boden gerichtet, verfolgte er die Spur. Seymour überholte ihn und übernahm die Führung. Seine Witterung war so scharf, dass er nur so dahinflog und die jungen Vampire in Laufschritt verfallen mussten, um dicht hinter ihm zu bleiben.
»Der ist aber schnell unterwegs!«, keuchte Luciano. »Dass er da überhaupt noch was riechen kann.«
»Ja, er ist gut. Wir kriegen sie«, frohlockte Franz Leopold. Ivy und Alisa wollten seine Zuversicht allerdings nicht teilen.
»Ich frage mich, warum die Mitglieder deines Clans sie nicht gefunden haben«, sagte Alisa leise, ohne das Tempo zu drosseln.
Ivy nickte. »Ja, diese Frage schwirrt mir auch im Kopf herum. Leo mag nicht viel von den Fähigkeiten der Lycana halten, doch ich versichere dir, sie sind durchaus in der Lage, einer Spur zu folgen, die kaum einen Tag alt ist!«
»Das bezweifle ich nicht. Wenn die Spur auf dem Boden verläuft.«
Die beiden Vampirinnen sahen einander bedeutungsvoll an. »Ich sehe, unsere Befürchtungen gehen in dieselbe Richtung«, sagte Ivy.
Sie folgten der Fährte über ein steiniges Kartoffelfeld und am Rand zweier Schafweiden entlang und bogen dann in einen von Feldsteinmauern gesäumten Weg, der sich bald darauf in ein Bachbett absenkte. Ein schmaler Holzsteg führte über das klare Wasser, das zwischen schwarzem Geröll dem Meer
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