Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde

Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde

Titel: Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
Vom Netzwerk:
erwartet.
    »Es ist mir ein Vergnügen, Miss Strong. Mein Onkel hat mir einige Ihrer Artikel vorgelesen, und ich habe Sie im Radio gehört. Angeblich wohnen Sie ganz in der Nähe?«
    Als sie ihm die Hand gab, legte er seine andere darauf und zog sie an sich. Sein Griff war fest und warm und voller Energie, und die perplexe Lydia errötete. Sie blieben dicht voreinander stehen, länger als es normalerweise schicklich gewesen wäre. Als sie seinen blinden Blick auf sich spürte und ihre kleine Hand zwischen seinen großen Pranken verschwand, war sie bereit zu glauben, was sie über Juno gelesen hatte. Ob er tatsächlich imstande war, in die Träume anderer Menschen einzudringen? Der Gedanke war lächerlich, aber er ließ sie nicht mehr los. Sie hätte alles dafür gegeben, ein letztes Mal mit ihrer Mutter sprechen zu dürfen, sich zu verabschieden, um Verzeihung zu bitten … wofür, wusste sie selbst nicht. Sie hätte ihrer Mutter so gern gezeigt, wie weit sie es gebracht hatte im Leben. Sie sehnte sich nach Marions Lob. Würde es ihre Mutter stören, dass sie nicht verheiratet war und nie zur Kirche ging? Wäre sie wütend oder enttäuscht? Manchmal sehnte Lydia sich schmerzlich nach Antworten.
    Sie betrachtete Juno, suchte sein Gesicht nach den Spuren des Übersinnlichen ab. Was … ein leuchtendes Tattoo … ein drittes Auge? Aber nicht einmal ihr altgedienter Sarkasmus konnte die irrationale, unerklärliche Hoffnung schmälern, die plötzlich in ihr aufwallte. Die Traumbilder verfolgten sie, gingen ihr wieder und wieder durch den Kopf wie ein lästiger Ohrwurm.
    »Bitte, Miss Strong, setzen Sie sich. Was kann ich für Sie tun?« Er legte eine Hand auf Lydias Rücken und dirigierte sie zu den Kirchbänken. »Wahrscheinlich möchten Sie sich über Christopher Poveda unterhalten?«
    »Wer ist das?«
    »Der Junge, der an Leukämie gestorben ist.«
    »Ehrlich gesagt …«
    »Manchmal ruft Gott seine Kinder zu sich, Miss Strong. Dagegen kann niemand auf Erden etwas ausrichten.«
    »Ich bin mir sicher, dass es so ist, Mr Alonzo. Aber eigentlich habe ich eine Frage zu Lucky, dem Hund, den Sie tot im Garten gefunden haben.« Ihr wurde unwohl, als seine Miene sich verfinsterte. Die Frage musste ihm schäbig vorkommen. Lydia schämte sich.
    »Ja?«
    »Wissen Sie, wer den Hund hergebracht hat?«
    »Viele Leute glauben, ich besäße Heilkräfte. Viele bestreiten es – mit aller Vehemenz. Die Leute haben sich der Kirche und mir gegenüber schon mehr als einmal schändlich verhalten. Möge Gott ihnen vergeben.«
    Lydia lauschte auf die Stimme und die Wortwahl, auf einen Misston, der eine Unwahrheit offenbarte. Sie war als eine der wenigen Journalisten an der FBI -Akademie zugelassen worden, und dort hatte sie unter anderem gelernt, dass die meisten Lügner sich nicht durch Worte, sondern durch Gesten verraten. Sie musterte Alonzo eindringlich, wartete auf den zappelnden Fuß, die geballte Faust oder andere verräterische Bewegungen. Aber er blieb ruhig und konzentrierte sich auf seine Worte, wählte jedes einzelne mit Bedacht und sprach langsam. Er sprach so wie andere schrieben, er wägte die Worte gegeneinander ab und orientierte sich an Rhythmus und Klang.
    »Sie denken also, es war Vandalismus. Irgendjemand ist wütend, weil Sie Christopher nicht helfen konnten.«
    »Ich kann mir nicht erklären, wie es sonst zu diesem schrecklichen Verbrechen hätte kommen können.«
    »Entschuldigen Sie, aber das ergibt doch keinen Sinn. Man tötet das eine Geschöpf, nur weil man wütend über den Tod des anderen ist?«
    »Das ist eine gute Frage, die ich mir stelle, seit ich über den toten Hund gestolpert bin.«
    Lydia war das Misstrauen der anderen gewohnt. Die Aussagen eines Menschen, die Maske, die er in der Öffentlichkeit trug, verrieten nur in den seltensten Fällen seine wahre Persönlichkeit. Ein nicht vollendeter Satz, ein suchender Blick, eine unwillkürliche Bewegung waren subtiler, aber viel aussagekräftiger. Lydia hoffte inständig auf einen Hinweis. Denn obwohl ihr die Vorstellung, der Mann könnte ein Heiler mit übersinnlichen Kräften sein, eben noch gefallen hatte, wünschte sie sich jetzt nichts mehr, als ihn als Hochstapler zu entlarven.
    »Zeigen Sie mir, wo Sie ihn gefunden haben?«, fragte sie, auch wenn sie selbst nicht wusste, was das bringen sollte.
    Er legte ihr wieder eine Hand an den Rücken und führte sie durch die Kirche. Lydia hatte es zuvor nicht bemerkt, aber mitten im Raum und umgeben von üppigem

Weitere Kostenlose Bücher