Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde
glaube, dass er das zu einem bestimmten Zweck tut. Was seine Motivation angeht, tappen wir aber noch im Dunkeln.
Wir verfügen jedoch über genug Informationen, um ein aussagekräftiges Profil zu erstellen. Durch den Überfall auf Maria Lopez enttarnt er sich als ›unzulänglicher Typ‹. Er hat seine gesamte Kraft aufbringen müssen, um sie zu überwältigen. Er ist in ihre Wohnung eingedrungen und hat sie mit Chloroform betäubt. Weil das nicht so richtig funktioniert hat, hat er sie an Ort und Stelle getötet. Wir wissen, dass er planvoll vorgeht, denn er hat den Großhändler überfallen und sich irgendwo einen OP eingerichtet; er späht seine Opfer aus, führt den ›Eingriff‹ durch und legt unbemerkt die Leichen ab. Vermutlich ist er weiß, Mitte bis Ende dreißig und damit etwas älter als der durchschnittliche Serienmörder. Für seine Vorgehensweise braucht es eine gewisse Reife, Geschick und Erfahrung. Wahrscheinlich suchen wir nach einem Mann mit medizinischen Vorkenntnissen, allerdings wird er wohl kaum Arzt oder Chirurg sein. Eher ein Versager, der gern Arzt geworden wäre. Er ist irgendwo fest angestellt, lebt wahrscheinlich allein oder hat Zugang zu einem Raum, in dem er ungestört seine Verbrechen begehen kann.
Wichtig ist, dass es dem Mörder offenbar nicht allein um die Lust am Töten geht. Er arbeitet auf ein – echtes oder imaginiertes – Ziel hin. Miss Strong scheint in seinen Bemühungen eine Rolle zu spielen.« Auf der Leinwand waren die Gegenstände zu sehen, die der Täter vor Lydias Tür gelegt hatte.
»Die Nachricht legt nahe, dass es ihm um eine Form von ›Rache‹ geht. Ob er sich an den Opfern oder an Miss Strong rächen wollte, wissen wir nicht.«
Hinter Jeffrey erschienen Fotos der Opfer.
»Die Opfer weisen kaum Ähnlichkeiten auf. Sie unterscheiden sich in Aussehen, Alter, Geschlecht und Hautfarbe. Alle haben jedoch in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen dieselbe Kirche besucht. Alle führten ein eher unstetes Leben und hatten eine nicht ganz astreine Vergangenheit. Christine und Harold Wallace waren wegen Drogenbesitzes und Körperverletzung vorbestraft. Shawna war eine Schulschwänzerin und notorische Ausreißerin. Maria Lopez hat sich angeblich als Prostituierte verkauft. An der Art, wie er die Leichen zurücklässt, ist zu erkennen, dass er rücksichtslos ist. Er behandelt diese Menschen wie Abfall. Er war weder mit ihnen näher bekannt noch befreundet.«
Als Nächstes war Maria Lopez’ verwüstete Wohnung zu sehen. »Wir hatten gehofft, in Mrs Lopez’ Apartment brauchbare Spuren sicherstellen zu können, aber alle gefundenen Haare stammten vom Opfer und von Mike Urquia, der als Täter nicht in Frage kommt. Dasselbe gilt für die Fingerabdrücke. Wir haben Fasern entdeckt, aber die Analyse läuft noch. Das staatliche Labor kümmert sich darum. Die unter den Fingernägeln des Opfers gefundenen Blut- und Hautspuren sind ebenfalls noch im Labor … Sie alle wissen, wie lange das dauert. Das Gleiche gilt für die Leichen von Christine und Harold Wallace. Wir hoffen, Blut oder DNA zu finden, die nicht von den Opfern selbst stammen, aber auch das erfahren wir erst in ein paar Tagen. Und falls wir auf etwas stoßen, kommen wir nur weiter, wenn die Daten des Täters bereits erfasst sind.
Wir können nicht mit Sicherheit sagen, ob den Opfern etwas gestohlen wurde. Shawna Fox, deren Leiche wir noch nicht gefunden haben und die möglicherweise nicht zu den Opfern gehört, hat keine persönlichen Gegenstände mitgenommen, als sie das Haus ihrer Pflegeeltern verließ. Mit anderen Worten: Wir wissen nicht, ob er ›Trophäen‹ sammelt.«
Lydia saß in einer Ecke des abgedunkelten Raumes und lauschte Jeffrey aufmerksam, auch wenn sie die Ermittlungsdetails bereits kannte. Sie hoffte, dass sie etwas übersehen hatte. Als Jeffrey von Trophäen sprach, fiel Lydia wieder der Granatohrring ihrer Mutter ein. Er hatte in Jeffreys Handfläche gefunkelt, als sie ihn damals zurückbekommen hatte. Sie erschauderte.
»Chief Morrow«, sagte Jeffrey, »ich schlage Ihnen folgende Taktik vor: Zunächst einmal brauchen wir mehrere Observierungsteams. Eines an jedem Leichenfundort, weil viele Täter an den Ort des Verbrechens zurückkehren. Eins vor der Kirche zum Heiligen Namen, weil alle Opfer dort zum Gottesdienst gingen. Und eines vor Lydia Strongs Haus. Offenbar ist der Täter krankhaft auf sie fixiert, und höchstwahrscheinlich taucht er noch einmal auf.
Alle Kollegen sollen nach
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