Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde
er aus dem Fenster blickte. Rauchend lehnte sie an ihrem Auto und starrte in die Ferne. Sie wartete auf ihn. Jeffrey verließ die Wache und ging zu ihr.
»Ich lasse dich erst wieder aus den Augen, wenn das hier vorbei ist. So etwas wie heute Nachmittag tust du bitte nie wieder.«
»Ja, Sir«, antwortete sie in sarkastischem Tonfall.
»Lydia, es ist mir ernst. Du brauchst hier nicht die Rebellin zu spielen. Was wolltest du dir damit eigentlich beweisen?«
»Nichts«, sagte sie achselzuckend. »Ich hatte nur keine Lust zu warten, bis du endlich zurückkommst.«
»Aber du machst das nicht nochmal, versprochen?«
»Versprochen.«
»Ich fahre«, sagte er, schob sie scherzhaft mit der Schulter beiseite und öffnete die Fahrertür.
SIEBZEHN
J effrey und Lydia kamen erst am späten Abend nach Hause zurück. Sie hielten unten an der Straße, damit Lydia die Post aus dem Briefkasten holen konnte. Sie sah die Briefe durch, während Jeffrey den Wagen in die Garage fuhr.
»Post vom Präsidenten?«, fragte Jeffrey, als er den Gefängnisstempel auf einem der Briefe sah.
»Welchem Präsidenten?«
»Dem Präsidenten deines Fanclubs.«
Die meisten Briefe, die sie von ihrem Fanclub der perversen Gewalttäter bekam, warf Lydia ungeöffnet weg. Ihr Verleger leitete derlei Schreiben an sie weiter, und der überwiegende Teil stammte aus Haftanstalten. Anfangs war Lydia neugierig und öffnete die Briefe. Meistens waren es unkontrollierte Ergüsse kranker Hirne. Ganz selten schrieben ihr die Angehörigen der Mordopfer. Manche Absender behaupteten, Serienkiller zu sein. Diese Schreiben leitete Lydia umgehend an das FBI weiter. Einer allerdings schrieb ihr seit der Veröffentlichung von Rachedurst jeden Monat.
Als sie den ersten Brief erhalten hatte, war sie nicht einmal überrascht gewesen.
Du Schlampe,
ich habe deine Mutter gefickt und sie dann ermordet. Das hat mich sehr befriedigt.
Dein Buch hat mir gefallen. Du legst wirklich den Finger in die Wunde. Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf. Aber das weißt du selbst.
Gefällt es dir in meinem Kopf? Bildest du dir ein, du könntest mich verstehen? Vielleicht kannst du das. Vielleicht auch nicht. Vielleicht kann ich es dir eines Tages begreiflich machen.
Auch du befriedigst mich sehr. Ich habe dich zu dem gemacht, was du heute bist. Vergiss das nicht.
Leck mich,
Jed McIntyre
Nach dem ersten Brief hatte Jeffrey beim Verlag angerufen und verlangt, dass zukünftig alle Briefe an Lydia überprüft würden. Die Lektorin war angewidert von dem Vorfall und stimmte ihm zu. Später meldete Lydia sich persönlich bei ihr und bat sie, alle Briefe nach wie vor ungeöffnet an sie weiterzuleiten.
Sie wollte seine Briefe. Sie brauchte sie.
Sie öffnete sie nie. Sie lagen in einer abgeschlossenen Schublade unter Lydias Schreibtisch und fluchten leise vor sich hin. Solange sie Briefe mit Gefängnisstempel erhielt, konnte Lydia sicher sein, dass er hinter Gittern saß. Weggesperrt, für immer und ewig. Er war ein psychisch kranker Mensch. Kein Dämon mit übernatürlichen Kräften, der sie packte und mit sich in die Hölle riss.
Jeffrey hatte nicht lockergelassen wegen der Briefe, aber auch in dieser Streitfrage hatte Lydia sich durchgesetzt. Irgendwann hatte Jeffrey aufgegeben, aber bis heute wurde ihm, wann immer er an jenen ersten Brief dachte, übel vor Wut.
Als sie das Haus betraten und er den Brief zwischen den anderen Umschlägen in Lydias Hand entdeckte – er stammte tatsächlich von Jed McIntyre –, schnürte sich ihm die Kehle zu. Er zog den Brief aus dem Stapel, den Lydia auf den Küchentresen geworfen hatte.
»Du liebe Güte, Lydia, was willst du nur damit?«
»So weiß ich wenigstens, wo er ist.«
»Indem du sie annimmst, gibst du ihm die Gelegenheit, seine kranken Fantasien weiterzuspinnen.«
»Jeffrey, haben wir im Moment nicht genug andere Sorgen?«
Er gab ihr wortlos den Brief zurück, öffnete den Kühlschrank und nahm sich ein Bier heraus. Lydia betrachtete sein Profil. Vor Wut presste er die Kiefer aufeinander. Sie stellte sich hinter ihn, schlang ihre Arme um seine Taille.
»Sei mir nicht böse. Versuch, mich zu verstehen.«
Er umarmte sie und lehnte sich an sie.
»Allein die Vorstellung, dass dieses perverse Schwein an dich denkt , macht mich krank.«
»Ich weiß, aber das ist schon in Ordnung. Er kann mir nichts anhaben«, sagte Lydia.
»Okay.« Jeffrey lächelte traurig.
Sie ließ ihn los und ging hinauf ins Schlafzimmer. Als sie das Licht
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