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Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde

Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde

Titel: Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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nicht riskieren, abermals einen Mietwagen zu nehmen. Er hatte Greg erst erkannt, als er vor ihm stand. Greg, der Freund von Shawna Fox. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte, und hatte Angst bekommen. Doch Gott hatte ihm wieder einmal den Weg gewiesen. Als er sah, dass Greg sich sein Nummernschild notierte, griff er zu einem alten Auspuffrohr, das an der Wand lehnte, und schaltete den Störfaktor kurzerhand aus.
    Seine Zeit war bald gekommen. Er zitterte vor Entzücken, denn er war Gottes Diener. Man hatte ihm alles genommen, aber er war zu Gottes Racheengel geworden, Gottes Krieger, Gottes Todesbote.
    Er stand im Kinderzimmer seines Sohnes und verabschiedete sich von dem Ort, der seinem Kind auf Erden ein Zuhause geboten hatte. Ein Machtgefühl durchströmte ihn. Er konnte sich noch gut daran erinnern, dass er sich im zweiten Jahr seiner Ausbildung ähnlich gefühlt hatte. Man war fähig, Leben zu retten, doch wenn einem nur ein einziger Fehler unterlief, konnte das das Aus bedeuten. Der aufgeschnittene menschliche Körper, der wehrlos vor ihm lag, verschaffte ihm den ultimativen Kick. Dann fühlte er sich unfehlbar und allmächtig. Nun bekam er alles zurück, was man ihm genommen hatte.
    Das Zimmer war ein Meisterwerk, ein seinem Kind gewidmeter Heiligenschrein. Ein kalter Wind blies durchs Fenster herein, blähte die himmelblauen Vorhänge auf und fuhr ihm durchs dunkelblonde Haar. Im ländlichen South Carolina, seiner Heimat, wurde es niemals so kalt. Die Hitze war ihm damals vorgekommen wie ein zu enges Kleidungsstück, das ihm den Schweiß auf die Stirn trieb und ihm das Atmen schwermachte, weil sie seine Lunge verstopfte wie feuchte Watte. Er strich sich die Haare aus der Stirn. Nur ungern dachte er an seine Kindheit zurück, erinnerte sich mit Grausen an die Angst und den Zorn, die ihn als Zehnjährigen dauerhaft begleitet hatten. Er betrachtete seine Hand. Es war die Hand seines Vaters, weiß und von dicken, blauen Venen durchzogen, mit großen, harten Fingerknöcheln unter einer trockenen Haut so dünn wie Pergament. Obwohl sein Vater so brutal gewesen war, spürte er eine unerklärliche Sehnsucht.
    Er stand auf, trat an das Tablett mit den chirurgischen Instrumenten und griff zum Skalpell. Er betrachtete die scharfe Klinge, von der eine tödliche Macht ausging, und musste unweigerlich an Lydia Strong denken. Immer öfter beherrschte sie seine Gedanken. Er brauchte sie, um seine Mission zu vollenden. Ohne sie wären seine Taten im Auftrag Gottes bedeutungslos. Bald ließe er sie wissen, was er mit ihr vorhatte, und dann wäre sie nicht in der Lage, ihn abzuweisen. Es war Gottes Wille. Er wusste genau, womit er sie anlocken konnte.
    Langsam verließ er das Zimmer, durchquerte den Flur und blieb vor dem Wohnzimmer stehen. Der stummgeschaltete Fernseher tauchte den fast leeren Raum in ein zuckendes, blaues Licht. Es roch leicht nach Bier und Abfall.
    Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war fast acht. Als er das Haus verließ, schlug er die Tür hinter sich zu, aber er schloss nicht ab. Er würde ohnehin nicht zurückkommen.

EINUNDZWANZIG
    O kay, wir kommen, so schnell es geht«, sagte Jeffrey. Er sprach in Lydias Handy.
    »Was ist passiert?«, fragte Lydia, nachdem er das Gespräch beendet hatte.
    »Sieht so aus, als hätte Juno deinen Rat befolgt und den Notruf gewählt, um das Verschwinden seines Onkels zu melden. Komischerweise stand kein Streifenwagen vor der Kirche. Morrow möchte, dass wir sofort hinfahren.«
    »Wo steckt er?«
    »Ich habe ihn nicht gefragt.«
    »Wir fahren hin, sobald ich mit Greg gesprochen habe. Ich möchte nicht, dass er es auf anderem Wege erfährt«, sagte Lydia, die sich inzwischen auch Sorgen um Juno machte.
    Sie hielten vor Gregs und Joes Autowerkstatt, und sie merkten sofort, dass irgendetwas nicht stimmte. Der Ort wirkte seltsam verlassen. Als Lydia zum ersten Mal hier gewesen war, herrschte eine geschäftige Atmosphäre. Das Radio lief, die Werkstatt war hell erleuchtet, es roch nach Lack und Benzin. Heute waren alle Türen verschlossen, und es brannte kein Licht, es war unnatürlich still.
    »Ist ja mächtig was los hier«, sagte Jeffrey. »Hoffentlich hat er überhaupt Zeit für uns.«
    Lydia nahm die Glock aus dem Handschuhfach.
    »Was hast du vor?«
    »Irgendetwas stimmt nicht. Es ist mitten am Vormittag, aber die Werkstatt ist geschlossen.«
    »Vielleicht haben sie sich heute freigenommen.«
    »Vielleicht. Aber das glaube ich nicht.«
    Jeffrey öffnete das Halfter

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