LYING GAME - Mein Herz ist rein: Band 3 (German Edition)
dankbar dafür, dass wir dich und Laurel in unserem Leben haben. Ich weiß nicht, was ich machen würde, wenn ich jemals eine von euch verlieren würde.«
Emma verlagerte voller Unbehagen ihr Gewicht und tonnenschwer legten sich Schuldgefühle auf ihre Brust. In Augenblicken wie diesen bereute sie entsetzlich, dass sie dieses riesige Geheimnis vor Suttons Familie verbergen musste. Ihre Tochter war ermordet worden, und jeder Tag seither stand für eine verpasste Gelegenheit, ihren Mörder zu finden. Als Emma im Bus nach Tucson gesessen und sich darauf gefreut hatte, Sutton kennenzulernen, hatte sie den Funken einer Hoffnung in sich getragen, dass Suttons Adoptiveltern sie vielleicht auch aufnehmen und das letzte Schuljahr bei ihnen verbringen lassen würden. Ironischerweise war ihr Wunsch in Erfüllung gegangen. Was würden die Mercers tun, wenn sie die Wahrheit erfuhren? Sie rauswerfen, so viel war sicher. Wahrscheinlich würden sie sie sogar verhaften lassen.
Emma sehnte sich danach, Mrs. Mercer die Wahrheit zu sagen. Ihr zu gestehen, dass ihrer Tochter bereits etwas Schreckliches zugestoßen war. Aber sie wusste, dass das unmöglich war. Ethan hatte recht. Sie durfte niemandem verraten, wer sie war. Noch nicht.
Die Tür öffnete sich noch einmal und eine zweite Gestalt trat auf die Veranda hinaus. Laurels lockiges blondes Haar leuchtete im Schein der Flutlichter auf dem Dach. »Was macht ihr denn hier draußen?«
»Sterne gucken«, rief Mrs. Mercer fröhlich. »Setz dich zu uns!«
Laurel zögerte einen Augenblick lang und stapfte dann über den Rasen zu ihnen. Mrs. Mercer stupste Emma an, als wolle sie sagen: Schau! Das ist deine Chance, alles in Ordnung zu bringen! Laurel ließ sich mit gesenktem Kopf auf der Kante des Liegestuhls ihrer Mutter nieder. Mrs. Mercer setzte sich auf und begann, ihr Haar zu flechten.
»Ihr habt euch Sterne angeguckt?«, fragte Laurel ungläubig.
»Ja«, zirpte Mrs. Mercer. »Und ich habe Sutton gesagt, wie sehr ich euch beide liebe. Und wie sehr ich mir wünsche, dass ihr miteinander klarkommt.«
Obwohl es dunkel war, konnte Emma sehen, dass Laurel das Gesicht verzog.
Mrs. Mercer räusperte sich, offensichtlich unverdrossen. »Ist es nicht schön, dass wir drei mal ein bisschen Zeit miteinander verbringen?«
»Hm«, murmelte Laurel wenig überzeugend und wich standhaft Emmas Blick aus.
»Vielleicht könntet ihr zwei euch ja wieder vertragen?«, drängte Mrs. Mercer.
Laurel erstarrte sichtbar. Einen Augenblick später stand sie auf und schlang die Arme um sich. »Mir ist gerade eingefallen, dass ich noch Hausaufgaben habe«, murmelte sie und eilte zur Tür, als könne sie Emmas Gegenwart nicht schnell genug entkommen.
Die Tür knallte hinter ihr zu. Mrs. Mercer wirkte so enttäuscht, als habe sie wirklich geglaubt, etwas erreichen zu können. Emma seufzte und blickte wieder zu ihrem Sternbild hinauf. Sie suchte die beiden hellsten Sterne neben dem Mama- und dem Papastern und taufte sie den Sutton- und Laurelstern, in der Hoffnung, es werde ihre irdische Beziehung zu Laurel beeinflussen, dass die zwei Sterne so dicht beieinanderstanden.
Aber dem hasserfüllten, angeekelten Ausdruck auf Laurels Gesicht nach zu urteilen, glaubte ich nicht, dass das ausreichen würde. Und eigentlich sollte Emma auch wissen, was es mit Sternen auf sich hat – es sieht zwar so aus, als stünden sie dicht beieinander, aber dort oben im Himmel sind sie eine Trillion Lichtjahre voneinander entfernt.
10
Ich krieg dich
Als am folgenden Tag die letzte Schulglocke läutete, schnappte sich Emma ihre Englischbücher und tauchte in die Masse der Schüler ein, die durch den Flur strömten. Sobald sie um die Ecke zum Kunstflügel gebogen war, hörte sie Flüstern hinter sich und spürte neugierige Blicke.
»Sie und Thayer …«
»Hast du gewusst, dass sie ihn weggeschickt hat?«
»Seine Anhörung ist nächsten Monat. Glaubst du, er muss so lange im Knast verrotten?«
Eine Basketballspielerin mit hellen Strähnchen und einer Stupsnase warf Emma einen neugierigen Blick zu und flüsterte dann einem Jungen mit Dreadlocks etwas ins Ohr. Beide begannen zu kichern. Emma verzog das Gesicht und hielt sich sehr aufrecht. Sie hatte eine Menge Erfahrung mit schrägen Seitenblicken aus den vielen Schulen, die sie bereits besucht hatte. Sie hatte sogar eine Liste mit Retourkutschen verfasst, die sie Mitschülern entgegenschleudern konnte, die sich über ihre Secondhand-Klamotten und ihren Status als Pflegekind
Weitere Kostenlose Bücher