LYING GAME - Mein Herz ist rein: Band 3 (German Edition)
– das können wir nicht zurückverfolgen.«
Emma stürzte sich auf die Information. »Gibt es eine Möglichkeit, herauszufinden, wo er sein Online-Ticket gebucht hat? Vielleicht eine IP-Adresse?«
Nach einer langen Pause antwortete die Frau. »Nein, das kann ich nicht. Und ich habe dir eigentlich schon mehr gesagt, als erlaubt …«
Emma merkte, dass sie hier nicht mehr herausfinden würde, also dankte sie der Frau für ihre Mühe und legte auf. Scheiße. Aber immerhin hatte sie mehr Informationen erhalten, als sie hätte erwarten können.
Sie klappte den Laptop zu und strich über den glatten, glänzenden Deckel. Plötzlich war ihr das Zimmer viel zu eng. Sie legte den Rechner zurück auf Suttons Schreibtisch, schlüpfte in ein paar Ballerinas und ging zur Treppe.
Draußen dämmerte es und im Haus war es kühl, dunkel und still. Emma wusste nicht, wo die Familie sich aufhielt – es war noch lange nicht Schlafenszeit. Sie ging durch den leeren Flur, auf dem ihre Schritte von den Terrakottafliesen widerhallten, und betrat die Küche. Der würzige Duft von Bratkartoffeln und gegrilltem Rindfleisch hing in der Luft. Der Ofen war noch an, und Emma sah, dass in einem kleinen Fach unter der Backröhre ein Teller auf sie wartete. Sie war gerührt. Keine Pflegemutter hatte jemals einen Teller mit Essen für sie aufgehoben. Meist hatte sie sich um sich selbst gekümmert.
Aber im Moment hatte sie keinen Hunger. Emma ging durch die Küche und schlüpfte hinaus auf die rot geflieste Veranda hinter dem Haus der Mercers. Die Nachtluft war kühl und nach der Hitze des Tages fühlte sie sich an wie ein Swimmingpool nach einer mehrstündigen Saunasession. Emma zerrte einen hölzernen Liegestuhl in die dunkelste Ecke des Gartens und streckte sich darauf aus. Draußen war ihr das Nachdenken schon immer leichter gefallen.
Am mitternachtsblauen Himmel glitzerten die Sterne wie ferne Lichterketten, hell und klar.
Es war schon eine Ewigkeit her, dass Emma draußen gelegen und in den Nachthimmel geblickt hatte. Eigentlich nicht mehr seit dem Abend in Vegas, an dem sie das schräge Online-Snuff-Video von Sutton entdeckt hatte. Sie schaute hinauf in den Kosmos und suchte nach ihren Lieblingssternen, die sie kurz nach Beckys Verschwinden den Mamastern, den Papastern und den Emmastern getauft hatte. Sie hatten ihr die Hoffnung gegeben, dass ihre wahre Familie auf der Erde bald wieder genauso vereint sein würde wie im Himmel. In Vegas hatte sie natürlich noch keine Ahnung gehabt, dass sich bald darauf ihr ganzes Leben ändern würde. Sie würde ein Familienmitglied finden, die Schwester, die sie sich mehr als alles andere auf der Welt ersehnt hatte. Und auf merkwürdige Weise auch eine Familie. Und sogar einen Freund. Aber nichts davon war so, wie sie es sich gewünscht hatte.
»Was machst du denn hier draußen?«
Emma zuckte zusammen und drehte sich um. Mrs. Mercer schloss die Glastür hinter sich und kam zu Emma in den Garten. Sie war barfüßig und ihr rabenschwarzes Haar hing ihr offen um die Schultern. Sie schlang sich einen magentafarbenen Kaschmirschal um den langen, schlanken Hals.
Emma schob sich in eine sitzende Position hoch. »Ich schaue mir nur die Sterne an.«
Mrs. Mercer lächelte. »Das hast du schon als Kind gerne gemacht. Weißt du noch, dass du den Sternen Namen gegeben hast? Du fandest es nicht fair, dass andere Leute sie taufen durften, nur weil sie zufällig tausend Jahre vor dir geboren wurden.«
»Ich habe Sterne getauft?« Emma richtete sich überrascht noch weiter auf. »Wie habe ich sie denn genannt?«
»Die Namen waren nicht besonders originell. Ich glaube, da gab es den Mamastern, den Papastern, den Laurelstern und den Suttonstern. Und das E-Sternbild, für deine Lieblingspuppe.« Mrs. Mercer deutete auf ein Sternbild im Norden. »Ich glaube, dort ist es. Siehst du, die Sterne bilden ein E. Das fandest du unglaublich toll.«
Emma starrte sprachlos in den Himmel hinauf, und tatsächlich: Die Sterne formten eindeutig ein großes E.
Ein Schauder lief ihr über den Rücken. Sie hatte dasselbe Sternbild ausgewählt. Emma wusste, dass Sutton früher eine Puppe besessen hatte, die E hieß – vielleicht stand das E sogar für Emma –, aber es war unheimlich, dass Sutton dieselben Sterne ausgewählt hatte wie sie und ihnen ebenfalls Namen gegeben hatte. War das eine kosmische Verbindung zwischen Zwillingen? Hatten sowohl Emma als auch Sutton tief in ihrem Inneren gewusst, dass die andere
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