LYING GAME - Mein Herz ist rein: Band 3 (German Edition)
mit wem gehabt? Ein Augenblick blitzte in meinem Kopf auf, und ich erinnerte mich daran, wie Charlotte und ich mit gepackten Reisetaschen vor Hollier gestanden und uns flüsternd unterhalten hatten. Sie weiß es, Sutton, sie weiß es , hatte Charlotte gesagt. S ie ist nicht dumm. Und dann hatte sie noch hinzugefügt: Du musst dich entscheiden, auf wessen Seite du stehst. Ich versuchte, die Erinnerung noch länger festzuhalten, aber sie entglitt mir unaufhaltsam.
Emma faltete Charlottes Brief wieder zusammen und grub weiter in der Schatulle. Sie fand eine Liste, auf der Gabby und Lili die Gründe aufgezählt hatten, aus denen sie in den Lügenspielclub aufgenommen werden sollten. Die meisten drehten sich um ihren »Stil und ihren Riecher fürs Dramatische«. Als Nächstes kam eine Französischarbeit; alle Antworten waren bereits eingetragen und oben stand in roter Schrift: Eigentum der Schule. Lösungsblatt. Emma ließ es fallen, als glühe es. Sie war so paranoid, dass sie fürchtete, gleich werde Madame Renault hereinstürmen und sie auf frischer Tat ertappen.
Das Tropfen der Duschen wurde leiser. Eine Lüftung sprang an und irgendwo in der Ferne hustete jemand. Emma riss sich zusammen und durchsuchte die Schatulle weiter. Sie legte einen alten Elternbrief und einen Test, der mit einer dicken 6 benotet war, beiseite. Dann fand sie einen eselsohrigen Zettel, der mit jungenhafter Schrift bekritzelt war. Liebe Sutton, es tut mir leid. Ich will nicht so wütend auf dich sein. Es ist, als ob irgendetwas in meinem Inneren mich dazu zwingt. Und ich mache mir Sorgen. Wenn sich zwischen uns nicht bald etwas ändert, drehe ich durch. T
Emma lief ein Schauer über den Rücken. Der Brief musste von Thayer sein.
Sie wusste nicht, wofür er sich entschuldigte, aber der Brief klang wie eine Drohung und zeigte, wie labil Thayer wirklich war. Emma las den Zettel noch einmal und hatte plötzlich einen Kloß im Hals. Sie hatte keine Kraft mehr für Ratespielchen. Es gab nur einen Weg, herauszufinden, was zum Teufel hier eigentlich vorging.
Sie musste mit Thayer reden.
18
Besuch für Vega
Das Untersuchungsgefängnis war mit der Polizeiwache verbunden, hatte aber einen separaten Eingang, der von einer gesonderten Polizeieinheit bewacht wurde. Emma blieb zögernd vor dem schweren Stahltor stehen und atmete tief durch. Endlich kam ein übergewichtiger Beamter mit Halbglatze und dunkelblauer Uniform, der ein Taschenbuch unter dem Arm trug, zum Tor und schaute sie an. »Kann ich helfen?«, fragte er. An seinem Gürtel hing ein riesiger Schlüsselbund. »Die Besuchszeit ist beinahe vorbei«, fügte er muffelig hinzu.
Emma blickte auf die Cartier-Uhr, die sie in Suttons Schmuckschatulle gefunden hatte. Zwanzig vor acht. »Ich brauche nur ein paar Minuten«, sagte sie und verzog ihr Gesicht zu ihrem süßesten Lächeln.
Der Wächter starrte sie an. Emma erhaschte einen Blick auf sein Buch. Das Cover zeigte einen sehr muskulösen Mann, der ein Schwert auf dem Rücken trug und eine zarte blonde Frau küsste. Als Emma noch klein gewesen war, hatte sie auch solchen Schund gelesen – ihre Pflegemütter hatten meist keine anderen Bücher im Regal gehabt. Eine Zeit lang hatte sie sich eingeredet, die Brünette im Piratenkostüm auf dem Cover von Schiffbruch des Herzens sei Becky.
Endlich ließ der Wächter sie herein. Er holte ein Klemmbrett mit einer Besucherliste, auf der sie sich eintragen musste. Emma versuchte, ihre Hände am Zittern zu hindern, als sie in die Besucherspalte Sutton Mercer eintrug. In die Spalte »Häftling« schrieb sie Thayer Vega.
Sie wusste, dass sie mit dieser Aktion ein großes Risiko einging, aber sie würde auf eigene Faust nicht mehr herausfinden können. Jetzt musste sie mit Thayer reden. Und im Gefängnis, wo sie durch eine kugelsichere Glasscheibe voneinander getrennt sein würden, war diese Unterhaltung am ungefährlichsten.
Der Beamte schaute auf den Namen, den Emma eingetragen hatte, und nickte. »Kommen Sie mit.« Er führte sie durch eine weitere schwere Stahltür und durch einen langen Flur. Ein zweiter, stämmiger Wächter, ebenfalls in Dunkelblau, wartete in einem kleinen, quadratischen Zimmer auf Emma, durch dessen Mitte eine dicke Glasscheibe verlief. Auf seinem Namensschild stand Stanbridge. Emma war froh, dass es nicht Quinlan war – sie hätte heute nicht die Kraft gehabt, sich mit ihm auseinanderzusetzen. »Setz dich hier hin«, sagte Stanbridge und deutete auf eine Kabine an der Scheibe.
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