LYING GAME - Mein Herz ist rein: Band 3 (German Edition)
auf.
Thayer lässt mich vorsichtig zu Boden, indem er mich an die kratzige Rinde eines dicken Baumstumpfs lehnt. »Jesus, Sutton, hör doch mal kurz auf zu schreien!«
Ich reiße seine Hand von meinem Mund und hole keuchend Luft. Als ich gerade wieder losbrüllen will, sehe ich, dass Thayers Schultern nach unten sacken. Er lässt die Arme sinken und stützt die Hände auf den Knien auf. Er ist völlig außer Atem. »Du bist schneller, als ich dachte«, keucht er. Er scannt das Gestrüpp hinter uns. »Ich wollte dich nur beschützen. Aber ich glaube, wir sind rechtzeitig weggekommen.«
»Warte mal. Was?«, frage ich blinzelnd. Es dauert einen Moment, bis sich mein Gehirn neu kalibriert hat. Thayer bricht durch das Gebüsch zur Hauptstraße durch. Ich laufe ihm nach. »Hat uns jemand verfolgt? Wer denn?«
Thayer schüttelt den Kopf. »Das willst du nicht wissen, glaub mir.«
Hinter uns quietschen Reifen, und als ich mich umdrehe, sehe ich ein Auto aus dem Parkplatz schießen. Gelbe, perfekt gerundete Scheinwerfer kommen in schnellem Tempo auf uns zu, und geschockt wird mir klar, dass es mein Volvo ist – mein Vater und ich haben die Originalscheinwerfer restauriert, die so ganz anders sind als die modernen Xenon-Lichter.
Überraschung und Angst streiten sich in meinem Inneren. Ich springe von der Straße und spieße mich beinahe an einem stacheligen Kaktus auf. Dann drehe ich mich zu Thayer um. »Jemand hat mein Auto geklaut!«
»A… aber wie?«, fragt Thayer langsam. Er keucht immer noch.
Aber ich habe keine Zeit mehr, ihm zu erklären, dass ich die Schlüssel neben dem Auto habe fallen lassen. Der Volvo rast direkt auf uns zu, der Motor heult. Ich kann das Gesicht des Fahrers nicht erkennen, aber er umklammert das Lenkrad entschlossen mit beiden Händen. Thayer bleibt wie angewurzelt auf der Straße stehen, direkt vor dem Auto.
»Thayer!«, schreie ich gellend. »Geh zur Seite!«
Doch es ist zu spät. Das Auto rammt ihn mit einem grauenvollen Geräusch. Wie in Zeitlupe sehe ich Thayer durch die Luft wirbeln und mit einem lauten Krachen gegen die Windschutzscheibe stürzen.
»Thayer!«, schreie ich wieder.
Aufheulend fährt der Volvo rückwärts und Thayer rollt von der Motorhaube auf den Boden. Dann rast der Fahrer mit meinem Auto davon. Er schaltet die Lichter aus und hinterlässt unheimliche Stille.
Ich spüre meine Beine nicht, als ich zu Thayer stolpere, der schlaff am Boden liegt. Sein Bein ist unnatürlich verdreht und er blutet am Kopf. Er sieht mich benommen an und stöhnt leise.
»Oh mein Gott«, flüstere ich. »Du musst ins Krankenhaus.« Mein Kopf ist plötzlich ganz klar. »Ich rufe den Notarzt.«
»Nein«, stöhnt Thayer und greift mit letzter Kraft nach meiner Hand. »Ich will nicht, dass meine Eltern erfahren, dass ich hier bin. Dass ich in der Stadt war.« Er ringt nach Atem. »Ich muss in ein Krankenhaus außerhalb der Stadt.«
»Das geht nicht«, protestiere ich. »Ich kann dich nirgendwo hinbringen. Irgendein Verrückter hat mein Auto geklaut.«
»Laurel.« Thayer greift in seine Tasche und holt sein Handy heraus. »Sie wird es machen. Ich rufe sie an.«
Ich schäme mich dafür, aber ich spüre Eifersucht, weil ich nicht will, dass Laurel das für ihn tut. Ich will das Geheimnis seiner Rückkehr nicht mit meiner Schwester teilen. Aber für solche Gefühle ist jetzt keine Zeit. Ich setze mich auf und sage hilflos: »Okay. Ruf sie an.«
Thayer wählt und ich höre es klingeln. »Laurel?«, sagt er, als sie drangeht. »Ich bin’s.«
Ein Keuchen am anderen Ende der Leitung, sicher kann Laurel nicht fassen, mit wem sie da spricht. Und sie hat jedes Recht dazu. Soviel ich weiß, hat Thayer seit Juni niemanden in Tucson kontaktiert. Außer mir.
»Ich bin verletzt«, fährt Thayer fort. »Bitte komm her und hol mich ab.« Er hebt eine Hand. »Ich kann es nicht erklären, okay? Bitte vertrau mir. Ich bin im Sabino Canyon.«
Er beschreibt den Ort genau, und an seiner erleichterten Miene sehe ich, dass Laurel eingewilligt hat. Als er aufhängt, lege ich meine Hand auf die Stoppeln an seinem Kiefer. Er ist zu kalt und seine Augen sind so wild wie die eines verwundeten Tiers. Blut sickert aus seiner Kopfwunde. Bei jeder Bewegung stöhnt er auf und sein Bein ist grässlich verdreht.
»Es tut mir so leid«, sage ich leise und versuche, nicht wieder loszuheulen. »Ich verstehe nicht, was da passiert ist. Ich weiß nicht, wer uns gefolgt ist. Wir hätten nicht hierher kommen
Weitere Kostenlose Bücher