LYING GAME Und raus bist du
steckst auch irgendwie dahinter, dass mein Handyakku plötzlich leer war, richtig?« Sie hatte natürlich gesträhntes Haar und winzige Sommersprossen auf der Nasenspitze. Mit ihrem kräftigen Kiefer kaute sie auf einem neuen Streifen Juicy Fruit herum. »Wo ist dein Medaillon?«
Emmas Hand wanderte an ihr Schlüsselbein und sie hob hilflos die Schultern.
Laurel öffnete den Mund und gab ein leises Schnauben von sich. »Aber ich dachte, es wäre dir so wichtig «, sagte sie eisig. »Weil niemand sonst so eines hat. ›Dieses Medaillon gebe ich nur über meine Leiche her!‹ « Sie imitierte Suttons Stimme mit leierndem Tonfall.
»Keinen Streit, Mädels«, warnte Mr Mercer und griff über die Kücheninsel nach seiner ledernen Aktentasche und seinen Autoschlüsseln.
»Ja, keinen Streit bitte«, drängte Mrs Mercer. »Hol einfach die Taschen, okay? Du hast dreißig Sekunden.« Laurel wirbelte herum und rannte die Treppe hinauf. »Mit welchem Auto fahrt ihr? Sutton, steht deines noch bei Madeline?«
Mrs Mercer drehte sich abwartend zu Emma um. »Äh, ja?«, riet diese.
»Wir nehmen meins«, rief Laurel aus dem oberen Stockwerk.
Mrs Mercer bugsierte Emma ins Foyer. Der Duft ihres Fracas-Parfüms kitzelte Emma in der Nase. Sie sah der Frau tief in die Augen und versuchte ihr mitzuteilen, wer sie war … und wer sie eben nicht war. Sie würde doch ihre eigene Tochter erkennen, oder?
Aber Mrs Mercer drückte nur Emmas Schultern. Alle Sehnen ihres Halses waren angespannt. »Kannst du uns heute bitte keinen Ärger machen?« Sie schloss die Augen und seufzte abgrundtief. »Wir geben in zwei Wochen eine riesige Geburtstagsparty für dich. Könntest du ausnahmsweise mal versuchen, das auch zu verdienen?«
Emma zuckte zusammen und nickte dann schnell. Offensichtlich glaubten sie ihr wirklich nicht.
Laurel stürmte die Treppe wieder hinunter, in den Armen zwei Sport- und zwei Handtaschen. Sie gab Emma die Sandalen, die Mrs Mercer ausgewählt hatte, die Tennistasche und eine beige Handtasche aus butterweichem Leder, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Emma linste in die Tasche. Suttons blauer Kate-Spade-Geldbeutel und ihr pinkfarbenes iPhone steckten in den Innentaschen. Im Hauptfach lagen Kulis, Stifte, Dior-Mascara und ein brandneues iPad.
Emma zog beeindruckt eine Augenbraue hoch. Wenigstens würde sie jetzt herausfinden, was an dem iPad-Hype wirklich dran war.
Mrs Mercer öffnete die Haustür weit. »Raus mit euch.« Laurel ging auf die Veranda und ließ ihre Autoschlüssel klimpern. Ein silberner Tiffany-Schlüsselanhänger baumelte vom Ring. Nachdem Emma in ihre Schuhe geschlüpft war, folgte sie ihr. Sie hatte das ungute Gefühl, wenn sie sich weigerte, würde Mrs Mercer sie mit dem Paddel hinausjagen, das zur Dekoration im Foyer stand.
Sobald Emma draußen war, bildete sich ein Schweißfilm auf ihrer Stirn. Wassersprenger zischten auf dem Rasen gegenüber, und kleine Kinder in karierten Schuluniformen warteten an der Ecke auf den Schulbus. Laurel warf Emma einen wütenden Schulterblick zu, als sie mit klappernden Absätzen über die Auffahrt lief. »Das war wirklich ein dämlicher Versuch, die Schule zu schwänzen.« Sie drückte auf einen Knopf an ihrem Schlüssel. Nach zwei kurzen Piepsern entriegelten sich die Türen des schwarzen VW Jetta unter dem Basketballkorb. »Deine verschollene Zwillingsschwester? Wo hast du denn das her?«
Emma blickte wieder auf die Straße. Sie hoffte immer noch, sie würde gleich Sutton sehen, wie sie den Gehweg entlangschlenderte, bewaffnet mit einer Entschuldigung und einer Erklärung. Bienen summten träge um die blühenden Büsche. Der Lastwagen einer Gärtnerei fuhr langsam vorbei. Die Bergkette glühte in der Morgensonne. Irgendwo dort lag auch der Sabino Canyon.
»Hallo! Erde an Sutton!«
Emma fuhr zusammen. Laurel kam wieder auf sie zu, einen kleinen weißen Briefumschlag in der Hand. SUTTON stand in Großbuchstaben auf dem Umschlag. »War hinter den Scheibenwischer geklemmt.« Laurels Stimme klang verbittert. »Hast du etwa noch einen geheimen Verehrer?«
Emma betrachtete den Brief einen Augenblick lang. Die obere rechte Ecke war von Pollen gelb gefärbt. Durfte sie eine Nachricht lesen, die nicht an sie gerichtet war? Aber Laurel starrte sie erwartungsvoll an und ließ dicht an Emmas Ohr eine Kaugummiblase platzen.
Endlich schaute Emma sie an. »Dürfte ich um ein bisschen Privatsphäre bitten?« Das klang hoffentlich nach Sutton.
Laurel schniefte und ging einen
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