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LYING GAME Und raus bist du

LYING GAME Und raus bist du

Titel: LYING GAME Und raus bist du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shepard Sara
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eine Zahnspange und rundere Wangen. Emma starrte Sutton an. Ihr eigenes Gesicht blickte zurück, nur vier Jahre jünger.
    Sie schlich auf Zehenspitzen zu Suttons Wandschrank in der Ecke und legte ihre Hand um den Türknauf. War es genauso schlimm wie fremde SMS zu lesen, wenn sie sich mal in Suttons Schrank umsah?
    Emma entschied sich dafür, es zu riskieren, und zog die Tür auf. Vor ihr lag ein großer, quadratischer Raum mit hölzernen Kleiderstangen und ordentlichen Regalen. Mit einem wehmütigen Seufzer streckte sie die Hand aus und berührte all die Kleider, Blusen, Blazer, Pullis und Röcke. Manche Kleidungsstücke drückte sie sich an die Wange, um den weichen Stoff zu spüren.
    Ganz hinten im Schrank lagen ein paar Gesellschaftsspiele: Cluedo, Monopoly und Risiko. Darauf lag eine Schachtel mit der Aufschrift: Ausrüstung für junge Ornithologen. Sie enthielt ein Vogelbestimmungsbuch und einen Feldstecher. Auf der Schachtel war eine Plakette angebracht, auf der Für Sutton, mit Liebe, Dad , stand. Die Ausrüstung wirkte unberührt, als habe Sutton das Geschenk nicht besonders gut gefallen. Emma berührte einen Ordner, der mit alten Klassenarbeiten und Aufsätzen vollgestopft war. Bei einem Diktat aus der fünften Klasse hatte Sutton eine Eins plus bekommen, aber für eine Besprechung von Fahrenheit 451 in der Neunten nur eine Drei minus. Mit rotem Filzstift stand neben der Note: Du hast das Buch offensichtlich nicht gelesen. Dann fiel ihr ein Aufsatz mit dem Titel Meine Familiengeschichte auf. Die Geschichte meiner echten Familie kenne ich nicht , hatte Sutton getippt. Ich wurde als Baby adoptiert, und meine Eltern haben es mir gesagt, als ich ein kleines Mädchen war. Ich habe meine leibliche Mutter noch nie gesehen und weiß nichts über sie.
    Emma schämte sich, weil sie lächeln musste, aber sie konnte nichts dagegen tun.
    Dann sah sie eine Schmuckschachtel ganz hinten im Schrank. Sie öffnete sie und wühlte in Suttons schweren Armreifen, zarten Goldketten und silbernen Ohrringen. Das Medaillon, das Sutton in dem Snuff-Video getragen hatte, fand sie nicht. Vielleicht trug sie es ja gerade.
    Ich schaute an meinem schimmernden Körper hinab. Ich trug es nicht. Vielleicht trug es mein echter Körper. Meine Leiche. Wo sie auch sein mochte.
    Aus dem Dreifach-Spiegel an Suttons Schrankwand blinzelten Emma drei verwirrte Versionen ihres Spiegelbilds an. Wo bist du, Sutton? , fragte sie drängend und stumm. Warum hast du mich hierherkommen lassen und tauchst dann nicht auf?
    Sie verließ den Schrank. Als sie sich auf Suttons Bett setzte, überrollte sie die Erschöpfung wie ein Eilzug. Ihr Kopf hämmerte, und ihre Muskeln fühlten sich an wie ausgewrungene Schwämme. Sie legte sich auf die Matratze, die so weich war wie eine Wolke. Viel besser als die K-Mart-Sonderangebote, die ihre Pflegefamilien für sie gekauft hatten. Sie entledigte sich ihrer Keilsandalen und hörte sie dumpf auf dem Boden aufschlagen. Sie konnte genauso gut hier auf Sutton warten. Sicher würde sie bald auftauchen. Ihr Atem wurde langsamer. Pseudo-Schlagzeilen schwirrten ihr durch den Kopf. Mädchen gibt sich auf Party als eigene Schwester aus. Schwester ist nicht sehr zuverlässig. Sicher würde morgen alles besser laufen. Vielleicht unter der Schlagzeile: Schwestern treffen sich endlich.
    Emma drehte sich auf die Seite und kuschelte sich in das nach Weichspüler duftende Kissen. Die Umrisse und Schatten des großen Schlafzimmers wurden immer undeutlicher.
    Und nach ein paar weiteren Atemzügen schlummerten wir beide tief und fest.

8 – Kaffee, Muffins und Verwechslungen
    »Sutton. Sutton!«
    Emma wachte davon auf, dass jemand an ihrer Schulter rüttelte. Sie lag in einem hellen Zimmer. Grün und weiß gestreifte Vorhänge blähten sich am Fenster. Die Decke war glatt und wies keine Risse auf. Eine niedrige Kommode und ein großer LC D -Fernseher standen dort, wo gestern noch Clarices schäbiger Schrank gestanden hatte.
    Moment mal. Sie war nicht mehr bei Clarice. Emma setzte sich auf.
    »Sutton«, sagte die Stimme wieder. Eine blonde Frau beugte sich über sie. An ihren Schläfen wurde ihr Haar langsam grau, und sie hatte feine Fältchen in den Augenwinkeln. Sie trug ein blaues Kostüm, hohe Absätze und eine Menge Make-up. Das Foto von Suttons Familie, die mit erhobenen Gläsern am Verandatisch saß, flackerte in Emmas Hirn auf. Das war Suttons Mom.
    Emma sprang aus dem Bett und starrte verwirrt ins Leere. »Wie spät ist es?«, rief

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