LYING GAME Und raus bist du
Kamera ruhig, als habe jemand sie auf einem Stativ befestigt. Sie zeigte die Nahaufnahme eines leeren Stuhls auf einer verlassenen Lichtung. Mit einem Plumps landete eine Gestalt aus dem Stuhl, als sei sie geschubst worden. Sie hatte eine schwarze Augenbinde über dem Gesicht. Ein rundes Medaillon hing ihr um den Hals. Emma schlug sich gleichzeitig entsetzt und erleichtert die Hand vor den Mund.
Mit diesem Video hatte ihr Abenteuer begonnen. Es hatte sie hierhergeführt. Dies hier war ihr Beweis.
Eine Gestalt erschien auf dem Schirm. Emma schnappte nach Luft, als die Person sich über die Kamera beugte und das Bild scharf stellte. Im Mondlicht hing ihr das Haar wie ein Heiligenschein um den Kopf. Die Kamera stellte sich auf die Lichtverhältnisse ein, und das Gesicht wurde scharf. Emma stöhnte leise. Sie fühlte sich, als sei sie mit einer Achterbahn durch einen Looping gerast. Laurel.
Auch ich schnappte stumm nach Luft. Es … stimmte also?
Laurels grüne Augen starrten mit leerem Blick in das Objektiv. Sie lächelte finster. Im Hintergrund hörte Emma Sutton leise wimmern. Sie riss die Augen auf, als ihr klar wurde, dass diese Version eine Audiospur hatte. Ihre Hände zitterten und ihr Herz hämmerte. Ihr ganzer Körper wollte die Flucht antreten, aber sie konnte den Blick nicht vom Bildschirm abwenden.
»Pssst«, sagte eine Stimme hinter der Kamera. Sutton drehte den Kopf in Richtung des Geräusches.
Plötzlich erschien Charlotte im Bild. Sie ging zu Sutton und justierte die Augenbinde. Dann erschien Madeline hinter ihr und zog Charlotte wieder zur Seite.
Emmas Brustkorb fühlte sich an, als würde er gleich platzen. Das konnte doch nicht wahr sein. Sie waren alle dabei gewesen?
Laurel erschien wieder im Bild und zog sich eine Skimaske vors Gesicht. Sie wartete, bis die Kamera ein bisschen zurückgezoomt hatte. Dann flüsterte jemand »Los«. Laurel nickte und stellte sich hinter Suttons Stuhl. Gelassen zog sie die Kette eng um Suttons Kehle, und nun kannte Emma das Video auch wieder. Sutton strampelte blind mit den Beinen. Ihre Schultern zuckten und sie versuchte, Laurel abzuwehren. Laurel zog und zog.
Ich betrachtete das Video entsetzt. Meine Freundinnen hatten sich verbündet, um mich zu töten? Aber warum denn nur? Wieso hassten sie mich so?
»Fester«, flüsterte eine Stimme hinter der Kamera. Sie klang nach Madeline. Laurel zog kräftiger.
»Ein bisschen mehr nach oben«, flüsterte Charlotte als Nächste.
Das Ganze dauerte zwanzig qualvolle Sekunden. Die Mädchen hinter der Kamera johlten und kicherten, während Sutton um ihr Leben kämpfte. Dann wurde ihr Körper schlaff und ihr Kopf sank nach vorne. Die Kamera richtete sich auf Laurel, die ein paar Schritte zurückgewichen war und Sutton entsetzt anstarrte. Sie streckte die Hand nach ihrer Schwester aus und zog sie dann ängstlich wieder zurück. »Mädels …« Ihre Stimme brach.
»Was zum Henker?« Madeline klang panisch. »Was hast du getan, Laurel?«
»Was redest du da?« Laurels Kinn zitterte. »Ich habe genau das gemacht, was ihr mir gesagt habt!«
Charlottes Schritte raschelten im dürren Gras. »Sutton? Wenn du uns verarschst, dann …« Als Sutton nicht antwortete, gab Charlotte eine schrille Mischung aus Wimmern und Kreischen von sich. »Scheiße, Mädels! Scheiße!«
Und dann ertönte ganz aus der Nähe ein lauter Schrei. Die Videokamera wackelte heftig und fiel dann mit einem Ruck zu Boden. Sutton schien nun auf dem Gras zu liegen. Schnelle Schritte entfernten sich, bis sie nicht mehr zu hören waren.
Eine neue Gestalt erschien beinahe sofort im Bild. Die Person nahm Sutton die Augenbinde ab. Ihr Haar war verfilzt und schweißnass, ihr Gesicht leichenblass. Einen Augenblick später öffnete Sutton die Augen und starrte benommen ins Objektiv. Emma starrte ihre fast bewusstlose Schwester an.
Dann war das Video zu Ende. Emma saß stocksteif in ihrem Stuhl. »Sie waren alle dabei«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Sie haben es alle gemeinsam getan.«
Plötzlich erschienen ihr die vergangenen zwei Wochen in einem neuen, unheimlichen Licht. Es gab einen Grund dafür, dass niemand Emma auf die Schliche gekommen war. Alle hatten bereits gewusst, dass sie nicht Sutton war – und hatten gemeinsame Sache gemacht. Madeline hatte Emma im Sabino gekidnappt und sie zu Nishas Party gebracht. Charlotte hatte Emma nach der Party zu Sutton gefahren und sie am nächsten Tag zum Tennistraining begleitet. Laurel hatte Emma zur Schule und
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