LYING GAME - Weg bist du noch lange nicht
erzählt hatte. Laurel hatte offenbar verheimlicht, dass sie bei Nishas Party gewesen war, weil Suttons Freundinnen im Hass auf Nisha als vereinte Front auftreten sollten. Sutton hätte das vielleicht als Verrat interpretiert.
Aber Emma war entzückt und erleichtert. Dass Laurel bei dieser Pyjamaparty gewesen war, bedeutete ein wasserdichtes Alibi für den 31. August. Weder sie noch Nisha konnte Sutton getötet haben.
»Ist schon okay«, sagte Emma und warf Laurel so heftig die Arme um den Hals, dass diese beinahe das Gleichgewicht verlor.
»Sutton?«, fragte Laurel gedämpft, das Gesicht in Emmas geblümtem Ärmel vergraben.
Ich drehte neben den beiden unsichtbare Pirouetten. Dies war noch besser, als Charlottes und Madelines Unschuld bestätigt zu bekommen. Meine eigene Schwester war unschuldig.
14
Ärger im Doppelpack
Madeline riss die Haustür auf. »Was ist das denn?«, fragte sie dann verdattert und starrte Laurel, Emma und Charlotte an, die auf der Veranda standen. Es war Samstagnachmittag und alle drei hatten mit Farbe beschmierte Jeans, alte TShirts und abgewetzte Turnschuhe unter den Arm geklemmt.
»Unsere Kostümierung für den Heimweg.« Laurel legte die schmutzigen Kleider auf der Hollywood-Schaukel ab. »Ich habe Mom erzählt, dass Char und ich heute ehrenamtlich der Anstreichermannschaft von Habitat for Humanity aushelfen. Ich habe vorgeschlagen, dass Sutton auch mitkommt – es würde eine sehr lohnenswerte Erfahrung für sie sein, habe ich Mom versprochen.«
»Was tun wir nicht alles, um dich zu befreien«, sagte Madeline dramatisch und warf ihren langen, schwarzen Zopf über die Schulter zurück.
Charlotte zwinkerte Emma zu und die kicherte. Sie war in ihrer Gegenwart nicht mehr so angespannt, denn Suttons Freundinnen hatten sie nicht ermordet. Dafür war sie so dankbar, dass sie Laurel heute Morgen den letzten fettarmen Muffin gegönnt hatte und Charlotte zur Begrüßung um den Hals gefallen war. »Du bist aber gut drauf heute«, hatte Charlotte gesagt. »Bist du verliebt?«
Jetzt sah Emma sich um. Sie war zum ersten Mal in Madelines Haus, einem Bungalow mit Adobe-Mauern, einer altmodischen Pueblo-Feuerstelle und einer mit mexikanischen Fliesen ausgekleideten Küche, in der fröhliche rote Hängelampen hingen. Das Haus bot eine spektakuläre Aussicht auf die Catalina Mountains. Emma konnte in der Ferne eine Wandergruppe auf einem Gipfelpfad erkennen.
»Kommt.« Madeline schnappte sich eine große Schüssel Popcorn von der Kochinsel und schlurfte ins Wohnzimmer. Bequeme Cordsofas umstanden den großen Flatscreen-TV in der Ecke. Zwischen hölzernen Schmucktafeln mit Sprüchen wie SEGNE DIESES HEIM und EIN HERZ UND EINE SEELE hingen gerahmte Fotografien von Madeline und ihrem Bruder Thayer.
Emma ging dichter an die Fotos heran und versuchte, sie genauer unter die Lupe zu nehmen, ohne dass es Madeline auffiel. Sie sah Fotos von Thayer im Fußballtrikot. Thayer vor einem italienischen Restaurant, wo er so tat, als wolle er ein Stück von der Werbepizza aus Pappmaschee abbeißen. Thayer auf einem riesigen Wüstenfelsen in einem roten T-Shirt und khakifarbenen Cargoshorts. Der Wind blies ihm das schwarze Haar in die warmen, haselnussbraunen Augen und auf seinem Gesicht mit der reinen Haut und dem markanten Kiefer zeichnete sich der Hauch eines Lächelns ab. Er grinste auf allen Bildern in die Kamera, außer auf einem: Es zeigte ihre Gruppe auf dem Weg zu einem Schulball. Sutton und Garrett standen in festlicher Kleidung nebeneinander. Madeline stand bei Ryan Jeffries, den Emma schon in der Schule gesehen hatte, und Charlottes Begleitung war ein dunkelhaariger Typ, den Emma nicht kannte. Thayer, der einen gut geschnittenen Smoking trug, hielt sich ein bisschen abseits, die Arme vor der Brust verschränkt. Er hatte die Augen zusammengekniffen und seine Miene war düster, als wolle er einen auf verwegen machen. Mysteriöser Junge verschwindet spurlos , erschien Emma ein passender Untertitel für das Foto.
Aber irgendetwas an Thayers Gesichtsausdruck weckte tief in meinem Inneren ein Gefühl auf. Thayer versuchte nicht, verwegen auszusehen – er war sauer. Aber weshalb ?
Wer bist du? , hätte Emma den Jungen auf den Bildern gern gefragt. Warum bist du verschwunden? Und warum bekomme ich jedes Mal eine Gänsehaut, wenn ich ein Foto von dir sehe?
Damit war sie nicht allein.
Madeline zielte mit der Fernbedienung auf den Bildschirm und schaltete Jersey Shore ein. Sie öffnete einen großen,
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