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Lykandras Krieger 1 - Wolfsängerin (German Edition)

Lykandras Krieger 1 - Wolfsängerin (German Edition)

Titel: Lykandras Krieger 1 - Wolfsängerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Dirks
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ergriff Besitz von ihr, irgendetwas lenkte ihren Körper. Sie konnte nichts dagegen tun. Sie spürte, wie diese fremde Macht ihre Beine bewegte, erst das rechte, dann das linke. Mit einem Mal erhob sie sich. Aufrecht stand sie vor den beiden Männern, die ihr sofort entgegeneilten, um ihr zu helfen. Doch als Joli die beiden ansah hielten sie abrupt inne. Es schien ihnen nicht fremd, was nun geschah.
    Ihre Fußspitzen berührten kaum mehr den Boden. Es fühlte sich an, als schwebte sie. Jemand war in ihr. Eine Existenz, die so machtvoll und unbegreiflich war, und auch so wunderschön, dass Joli sich gänzlich in ihr verlor. Ihr Körper gehörte nicht mehr ihr. Sie war nur eine stille Beobachterin. Sie lauschte der Stimme, die nun statt der ihren aus ihrem Mund drang und an die eines jungen Mädchens erinnerte.
    „Höre, Kind Lykandras!“
    De Sagrais machte ehrfurchtsvoll einen Schritt auf sie zu und ging dann auf ein Knie herab. „Ich höre, Gebieterin.“
    „Ein großes Unglück naht, in Moorgrund, wenn der Mond voll am Himmel steht. Sie werden kommen, haltet sie auf. Das Tor darf sich nicht öffnen. Es darf sich nicht ...“
    Jolis spürte wie ihre Augen flackerten. Ihre Arme und Beine zuckten unkontrolliert. Sie konnte sich nicht aufrecht halten. Ihre Knie gaben unter dem Gewicht ihres Körpers nach. Ihr wurde schwindelig. In einem letzten Versuch das Gleichgewicht zu halten ruderte sie mit den Armen, aber der Schwindel wurde nur schlimmer und sie sank zu Boden.
    „Joli!“, hörte sie Tremonde rufen. „Sag etwas, Mädchen!“ Vorsichtig griff er unter ihren Nacken und hob ihren Kopf an, doch obwohl sie ihn hörte, war sie nicht in der Lage zu sprechen. „Herrgott, was haben wir dir nur angetan?“
    „Ich werde sie auf die Couch legen“, sagte de Sagrais. „Ihr Atem wird ruhiger. Ich glaube, sie kommt wieder zu sich.“
    Die Welt sah verschwommen aus. Und das lag nicht nur daran, dass ihr die Brille während ihres Sturzes von der Nase gesprungen war. De Sagrais hatte sie in die Arme genommen und eine eigenartige Ruhe und Geborgenheit überlagerte die gerade noch da gewesene Panik.
    „Was war das?“
    „Ich habe einen Auftrag“, sagte de Sagrais nüchtern.
    „Kannst du dich daran erinnern, was eben passiert ist?“, fragte Tremonde und strich ihr eine schweißnasse Strähne aus der Stirn.
    Sie nickte langsam. Ja, die Erinnerung war ganz klar, wenn auch erschreckend. Dieses Wesen hatte sie als Sprachrohr gebraucht und dabei die volle Kontrolle über ihren Körper ausgeübt. Das war also die Aufgabe einer Wolfsängerin. Wenn sie vorher gewusst hätte, was auf sie zukam, hätte sie es sich wahrscheinlich anders überlegt. Nun aber gab es kein Zurück. Das Gefühl des völligen Kontrollverlustes hatte sie geängstigt, obwohl es sich seltsamerweise richtig angefühlt hatte. Vielleicht deshalb, weil es die Bestimmung ihrer Familie war.
    Tremonde half ihr, sich aufrecht hinzusetzen. „Möchtest du einen Beruhigungstee?“
    „Nein, es geht schon. Was hat Lykandra nur damit gemeint?“ Sie rieb sich die Schläfen.
    „Wenn ich das wüsste“, entgegnete de Sagrais und ließ sich in seinen Sessel zurückfallen.
    Da er plötzlich verärgert wirkte, machte sie sich Gedanken ob bei dieser Vision oder diesem Anfall, wie man es auch immer bezeichnen mochte, etwas schief gelaufen war. „Habe ich etwas falsch gemacht?“
    „Nein, Kind“, beruhigte Tremonde sie. „Am Anfang ist es schwierig, sich auf ihre Präsenz einzustellen. Es erfordert viel Kraft, die Verbindung aufrecht zu erhalten. Aber du wirst lernen damit umzugehen und mit der Zeit stärker werden.“
    Sie nickte. Sicher. Alles nur eine Frage der Übung. Aber was sollte sie üben, wenn sie nicht wusste, was genau sie tun musste? Sie hätte sich vorher besser das Kleingedruckte durchlesen sollen. Sie blickte in de Sagrais verkniffenes Gesicht. Sie hatte immer noch das Gefühl irgendwas nicht richtig gemacht zu haben.
    „Tut mir ehrlich leid“, entschuldigte sie sich. „Aber wir müssen wirklich reden. Ich brauche jemanden, der mir zeigt, wie dieses
Channeln
funktioniert. Wie soll ich meine Aufgabe erfüllen, wenn ich nicht weiß, wie ich mit dieser Präsenz umgehen soll?“
    „Tremonde wird dich unterweisen, sobald wir unseren Auftrag erfüllt haben.“
    Ihr Vater nickte zu den Worten de Sagrais’. Hoffentlich war es bis dahin nicht zu spät, denn viel Zeit schien Tremonde nicht zu bleiben. Joli sah aber ein, dass der Auftrag Vorrang hatte, denn die

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