Lykandras Krieger 1 - Wolfsängerin (German Edition)
sie wortlos die Straße entlang.
„Darf ich dich etwas fragen?“, unterbrach sie die Stille und stellte das Radio leiser.
„Nur zu.“
„Es ist aber eine persönliche Frage.“
Remierre blickte sie kurz an bevor er seine Aufmerksamkeit wieder der Straße widmete. Joli hatte nie zuvor so blaue Augen gesehen. Sie wurden umrahmt von einem dichten Wald schwarzer Wimpern. Seine Haut war hell und bildete einen starken Kontrast zu den rabenschwarzen Augenbrauen und ebenso dunklen Haaren, von denen ihm einige Strähnen in die Stirn hingen. Er hatte ein markantes Gesicht mit einem ausgeprägten Kiefer. Auch seine Nase war eher herb, dafür besaß er die sinnlichsten Lippen, die sie je bei einem Mann gesehen hatte. Lässig hatte er eine Hand auf das Steuer gelegt. Die enge Jeans betonte seine muskulösen Oberschenkel und trotz des T-Shirts konnte sie erahnen, wie gut er darunter aussah.
„Wie funktioniert das Verwandeln?“ Seit seiner Verwandlung hatte sie sich Gedanken darüber gemacht. Sie fragte sich, ob er irgendetwas Besonderes tun musste, wie zum Beispiel seine Gedanken auf seine Tiergestalt konzentrieren oder eine Art Zauberspruch aufsagen. Auch faszinierte sie die Frage, was mit seinen Knochen geschah, wenn sich seine Gestalt änderte. Der menschliche Knochenbau unterschied sich von dem des Wolfs. Allein der Schädelknochen sah mit seiner langen Schnauze und den beeindruckenden Reißzähnen ganz anders aus.
Ein Schmunzeln bildete sich auf seinen Lippen. Langsam wand er ihr wieder den Kopf zu. Sein intensiver Blick hatte einen beschleunigenden Einfluss auf ihren Herzrhythmus. Es kam ihr so vor, als wusste er wie sie auf ihn reagierte und tat es absichtlich, um sie in Verlegenheit zu bringen.
„Wie stellst du es dir vor?“ Seine Stimme war leise und sinnlich.
Joli schluckte. „Ich weiß nicht, deswegen frage ich ja.“
„Und du hast keine Vorstellung?“
„Nun, ich kenne einige Filme und Romane über Werwölfe. Die Verwandlung wird dort meist als äußerst schmerzhaft dargestellt.“
Sie hoffte inständig, dass seine Verwandlung nicht ebensolche Schmerzen verursachte. Sie wollte nicht, dass er litt.
„Mich in einen Wolf zu verwandeln ist berauschend. Wie guter Sex.“
Dass er die Verwandlung mit Sex vergleichen würde, hatte sie nicht erwartet und sie spürte wie sie errötete. Sex. Dieses Wort aus dem Munde des französischen Adligen zu hören, der bisher ein antiquiertes Frauenbild offenbart hatte, war mehr als überraschend. Und aufregend. Sehr aufregend. Ohne Rücksicht auf ihren bereits heftig außer Kontrolle geratenen Herzschlag sprach er weiter.
„Du spürst die Zirkulation deines Blutes, das heiß und wallend durch deine Adern schießt, sich an einem bestimmten Punkt sammelt bis es schließlich in einer fulminanten Explosion mündet.“
Sie rückte hektisch ihre Brille zurecht und versuchte sich auf die Form des Handschuhfachs vor ihr zu konzentrieren.
„Alles in dir ist in Bewegung“, fuhr er mit rauer Stimme fort.
Sie wagte es nicht, ihn anzusehen, doch sie hatte das Gefühl, dass er sie in diesem Moment beobachtete anstatt auf den Verkehr zu achten.
„Nichts verbleibt. Dir wird schwindelig, du schwitzt, atmest schneller. Du versuchst dich irgendwo festzuhalten, doch da ist nichts. Alles entgleitet dir. Totaler Kontrollverlust.“
Oh Gott. Sie öffnete das Beifahrerfenster. Dankbar empfing sie den frischen Fahrtwind, der ihre glühenden Wangen abkühlte. Und hoffentlich auch ihr erhitztes Gemüt.
„Du windest dich, du willst erlöst werden, doch du weißt, dass du zuvor alles geben musst. Du strebst auf diesen fernen Punkt zu. Je näher du ihm kommst, desto schneller schlägt dein Herz. Du wirst innerlich verbrennen. Du weißt genau, dass du verbrennst. Doch es fühlt sich gut an. Und dann, mit einem Mal, sieht die Welt anders aus. Du spürst die Erlösung, dieses Hochgefühl.“
Sie musste sich auf die Unterlippe beißen, um kein verfängliches Geräusch von sich zu geben.
„Es hält nicht lange an, doch lange genug, um dir die Sinne zu rauben. Und wenn du wieder zu dir kommst, bist du ...“
„Glücklich.“
„Ein Wolf“, sagte er lächelnd. „Doch damit fängt das Abenteuer erst an.“
Joli wollte nicht noch einmal nachhaken. Seine Ausführung hatte sie ziemlich nervös gemacht. Sie fürchtete weitere erotische Details nicht zu ertragen, ohne körperliche Reaktionen zu zeigen. Sicherlich wusste er von seiner einnehmenden Wirkung auf Frauen, oder zumindest auf
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