Lykandras Krieger 3 - Wolfskriegerin (German Edition)
was sie war, schöpfte sie immer noch Hoffnung. Ja, Hoffnung war eine starke Waffe, und wie es schien, war sie nicht kleinzukriegen. Es brauchte nur einen Werwolf, der stärker war als ihr damaliger Mentor und somit sie. Dann konnte alles gut werden. Die Chance bestand. Sie lachte leise über ihre Naivität, weil sie wirklich glaubte, dass es eine Erlösung gab. Vorsichtig steckte sie die Karte in ihre Hosentasche und blieb sitzen. Der Regen kühlte ihr erhitztes Gemüt und die Gedankenschlaufen lösten sich auf. Sie war wieder im Hier und Jetzt angekommen, wieder sie selbst. Ihr Herz raste noch immer ohne Unterlass. Aber das war normal. Sie konnte froh sein, dass der Anfall so schnell vorüber war. Ein paar Auswirkungen spürte sie noch, aber die konnte sie ignorieren. Hin und wieder fühlte es sich an, als rasten elektrische Schläge durch ihren Leib. Es war unangenehm, aber längst nicht so quälend wie die Krämpfe und die Halluzinationen. Sie presste die Arme an ihren Bauch, das half. Wenn es doch ein Vorwarnzeichen gäbe, etwas, das sie rechtzeitig warnte, bevor ein neuer Anfall auftrat. Keira wusste nicht mal, was zu den Anfällen führte, doch sie hatte eine Theorie. Es schien, als träten sie vermehrt auf, wenn das Wölfische in ihr ausbrechen wollte, doch nicht konnte, weil das Menschliche zu stark war. Ein wilder Kampf, der in ihrem Inneren tobte, ohne dass sie ihn kontrollieren oder beherrschen konnte. Nicht, solange ihre Wandlung nicht abgeschlossen war. Und das würde nie geschehen, es sei denn ... ihre Hand rutschte in die Hosentasche und umschloss Killian Blackdooms Visitenkarte. Dieser Mann war ihre einzige Chance. Sie durfte sie nicht vertun. Alles andere wäre töricht. Noch blieb sie sie selbst, noch war sie nicht gänzlich dem Wahnsinn verfallen.
In der Ferne hörte sie den Schrei einer Frau. Ihre Sinne schärften sich, ganz plötzlich waren sie wieder da, funktionierten, als wären sie niemals ausgeschaltet gewesen. Sie wusste sofort, aus welcher Richtung der Schrei gekommen war. Ihm folgte das dumpfe Lachen eines Mannes. Es klang gefährlich und ihre Nackenhaare stellten sich auf. Sofort stand sie auf den Beinen, noch etwas wackelig, aber schnell an Halt gewinnend. Dann schoss sie vor, mehr torkelnd als rennend, eilte durch die Straßen und sah von Weitem das ungleiche Paar. Er drückte sie am Hals gegen die Wand, bedrohte sie mit einem Messer, das im Licht des Mondes blitzte. Sie sah die kniehohen Stiefel der Frau, den kurzen Rock, die grelle Schminke und die hochtoupierten Haare. Lautlos kam sie näher, gleich einem tödlichen Schatten. Noch hatten sie die Menschen nicht bemerkt. Ein Satz und sie riss den Kerl zur Seite. Er stürzte zu Boden. Durch den Aufprall verlor er das Messer, das über den Asphaltboden schlitterte. Im Hintergrund hörte sie das Weinen und Schluchzen der Frau.
Keira trat auf den Angreifer zu, der sich aufrappelte und sich suchend nach seinem Messer umblickte.
„Miststück“, fuhr er sie an, da gab sie ihm einen Kinnhaken. Der Mann taumelte zurück, hielt sich den Unterkiefer. Blut quoll aus seinem Mund. Sie hatte seine Lippe aufgerissen. Starr vor Schreck blickte er sie an. Dass sich eine Frau derart zur Wehr setzen würde, hatte dieser feige Hund nicht erwartet. Aber er konnte auch nicht ahnen, dass Keira keine normale Frau war, sondern eine, die mit übernatürlichen Kräften ausgestattet war, die weit über die Muskelkraft eines durchschnittlichen Menschenmannes hinausgingen.
Er spuckte das Blut auf die Straße, kam sogleich wieder auf sie zu, versuchte, sie in den Würgegriff zu nehmen. Keira wich seinem Angriff aus, indem sie zur Seite sprang und ihm einen heftigen Schlag auf den Rücken mitgab, der ihn auf die Knie sinken ließ. Benommen blieb der Kerl am Boden liegen. Direkt zu den Füßen der Dirne, die er angegriffen hatte. Er hatte Glück, dass Keira nicht mehr unter Wahn stand. In diesem Zustand könnte sie töten, was sie bisher immer hatte verhindern können. Doch ein Mal war immer das erste Mal.
Das Mädchen, das sicherlich kaum älter als achtzehn Jahre war, war vor Schreck totenbleich geworden.
„Keine Angst“, sagte Keira. „Der tut dir nichts mehr.“
Aber dann wurde ihr klar, dass die Kleine nicht mehr den am Boden liegenden Kerl, sondern ihre Retterin fürchtete. Ängstlich wich die Kleine vor ihr zurück, und als Keira zur Beruhigung ihre Hand ausstreckte, geriet das Mädchen ins Stolpern, stürzte fast, fing sich und rannte davon, ohne
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