Lykandras Krieger 3 - Wolfskriegerin (German Edition)
sie sei eine Werwölfin, aber das war sie nicht. Ein Wesen wie sie hatte keine Bezeichnung. Sie selbst nannte sich Chimäre, weil das am ehesten dem entsprach, was sie war. Ein Mischwesen.
Mit einem Seufzen ließ sie sich gegen eine Hauswand sinken, glitt zu Boden und blieb mit angezogenen Beinen sitzen. Es war kalt, doch sie spürte die Kälte kaum. Die Schmerzen übertönten alles. Sie war gerade rechtzeitig weggekommen, damit er den Anfall nicht mitbekam. Tränen rannen über ihre Wangen, während sie ihre Zähne so fest aufeinanderbiss, dass sie knirschten. Sie versuchte, eine Art Gegenschmerz zu erzeugen, das war oft das Einzige, was gegen diese schrecklichen Krämpfe half. Aber heute Nacht war der Anfall derart schlimm, dass selbst diese Methode kaum etwas ausrichtete. Wenn sich die Anfälle häuften oder in ihrer Ausprägung extrem wurden, fing sie oft auch an zu halluzinieren. Sie war nicht sicher, ob es von den Fieberschüben kam oder durch den Anfall erzeugt wurde. Der Übergang war fließend und so sah und hörte sie Dinge, von denen sie nicht wusste, ob sie real waren oder nur in ihrem Kopf existierten. Gestalten, manchmal fremde, oft aber auch vertraute, kreuzten dann ihren Weg oder sie geriet in einen Strudel aus vergangenen Erlebnissen, um sie noch einmal durchzumachen. Just in dem Moment, in dem sie merkte, dass ihre Stirn außergewöhnlich heiß war, meinte sie, nur wenige Schritte von sich entfernt Killian am Boden zu sehen. Er thronte über dem Vampir, den sie gestellt hatten. Es sah nicht wirklich echt aus, fühlte sich aber ungemein echt an. Ein wirres Bild, gleich einem verrückten Traum, in dem man alles als wirklich empfand und erst, nachdem man aufwachte, realisierte, wie wirr er eigentlich gewesen war. Mit unvorstellbarer Wucht, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ, schlug Killian den Kopf des Vampirs auf den Boden, wieder und wieder. Von da an geriet sie in eine Zeitschlaufe und das Geschehen wiederholte sich immer wieder von Neuem. Jedes Mal schlug er dem Jungen den Kopf ein, als wäre sein Schädel ein rohes Ei. Sie sah das Blut am Boden, konnte sich aber nicht regen, dem Jungen nicht helfen. Die Fratze des Vampirs verformte sich auf albtraumhafte Weise und plötzlich wünschte sie, dass Killian seinen Kopf noch fester packte, damit sie dieses grässliche Grinsen nicht länger ertragen musste.
Das ist nicht echt, meldete sich eine Stimme in ihrem Kopf. Keira schüttelte den selbigen, versuchte, diese schrecklichen, Angst einflößenden Bilder fortzuwischen. Sie wusste, dass Killian kein schlechter Kerl war. Er hatte dem Jungen nichts getan. Was sie sah, war nur in ihrem Kopf. Keira fing an, zu zittern, bekam sich nicht unter Kontrolle. Ja, heute Nacht war es wieder schlimm. Es trat nur phasenweise auf, aber wenn es auftrat, konnte sie es kaum beherrschen. Es war wie ein Virus, der sie plötzlich befiel. Der sich durch Krämpfe ankündigte, die sich alsbald verstärkten. Wie gut, dass sie genügend Kraft gehabt hatte, um sich vor ihm nichts anmerken zu lassen, damit er sie nicht erkannte. Eine Chimäre. Das war etwas, was Werwölfe fast genauso hassten wie Vampire. Tränen glitten über ihre Wangen und tropften auf Killians Visitenkarte, die sie noch immer in ihrer Hand hielt. Ja, er war nett. Sehr nett sogar. Keira war misstrauisch Fremden gegenüber, gab nur ungern etwas über sich preis, aber bei ihm hatte sie das Gefühl, ihm vertrauen zu können. Sie wäre gern in seiner Nähe geblieben, hätte gern mehr über ihn erfahren. Aber so war es besser. Wenn er erfuhr, was sie war, würde er sie hassen, so wie alle Werwölfe sie gehasst hatten. Sie blickte auf die Visitenkarte, das einzige Verbindungsstück zwischen Killian und ihr, und war versucht, das Stück Pappe zu zerreißen, um die Brücke abzubrechen, um nicht in Versuchung zu geraten, ihn doch noch mal zu sehen und sich der Gefahr auszusetzen, von ihm erkannt zu werden. Doch sie konnte es nicht. Ihre Finger zitterten, als sie fast liebevoll über das Stück Pappe strich. Killian Blackdoom. Sie erinnerte sich an seine Worte, an sein großzügiges Angebot und seine Bereitschaft, gegen sie im Zweikampf anzutreten, umseine Qualitäten als Lehrmeister und Leitwolf unter Beweis zu stellen. Vielleicht war er tatsächlich derjenige, den sie so lange gesucht hatte? Hoffnung keimte in ihr auf. Trotz all der schrecklichen Erlebnisse, der Jagd, die sie auf sie gemacht hatten und trotz des Wissens um ihre Wirkung, sobald man erfuhr,
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