Lykandras Krieger 3 - Wolfskriegerin (German Edition)
weitere Halluzination war, die so echt gewirkt hatte, dass Keira sie nicht als solche erkannte.
Eine starke Hand legte sich auf ihre, schien sie festzuhalten, damit sie nicht abdriftete. Killian verstärkte den Druck, bis es schmerzhaft wurde. Aber das war gut. Sehr gut sogar. Der Schmerz lenkte sie ab, milderte die Krämpfe. Keira merkte erst jetzt, dass sie am ganzen Körper zitterte und ihre Haare innerhalb weniger Sekunden schweißnass geworden waren. Noch immer blickten alle zu ihr. Es war unangenehm, derart aufzufallen. Doch die meisten Leute wirkten nur besorgt.
„Ich sollte jetzt besser gehen“, flüsterte sie.
Ann Suther blickte hektisch auf ihre Uhr und fing an, ihre Sachen zusammenzupacken. Beiläufig warf sie ein paar Münzen auf den Tisch. „Ich muss auch los“, sagte sie eilig. „Ich hoffe, es ist in Ordnung, wenn ich nun gehe?“
„Ja, natürlich.“ Killian rückte mit seinem Sessel zurück, sodass sie an ihm vorbeikam. Kaum hatte sie das Café verlassen, beugte er sich zu Keira.
„Das ist viel schlimmer, als ich dachte“, sagte er voller Sorge. „Soll ich dich ins Krankenhaus bringen?“
„Und was soll das nützen? Es gibt kein Mittel gegen diese Anfälle.“
Sie presste die Zähne zusammen, ihr Gesicht musste einer schrecklichen Grimasse gleichen. Da stand auch schon der Kellner an ihrem Tisch und fragte besorgt nach, ob er den Notarzt verständigen solle.
„Es geht schon“, sagte Keira und stand auf. Ihre Beine fühlten sich wackelig an, sie drohte, zu fallen, aber Killian stützte sie.
„Ich kümmere mich um die Dame“, versicherte er dem blass gewordenen Kellner und drückte ihm beiläufig einen Schein in die Hand. Dann führte er sie hinaus zu seinem Wagen und half ihr, einzusteigen.
„Es tut mir leid“, sagte Keira und spürte, wie ihr die Tränen heiß über die Wangen flossen.
„Wieso hast du mir nicht gesagt, dass es so schlimm ist?“
„Ich habe das nicht vorausgesehen. Es wird immer schlimmer.“
Zwei solch starke Anfälle direkt hintereinander hatte sie schon sehr lange nicht gehabt. Die Abstände schienen immer kürzer zu werden. Und das machte ihr Angst. Jede Chimäre hatte irgendwann den Verstand verloren, sich in die Tiefe gestürzt oder in einem Fluss ertränkt, weil der Wahnsinn nicht auszuhalten war.
„Wir können nicht bis zum nächsten Vollmond warten, Keira.“
„Haben wir eine andere Wahl?“
„Vielleicht. Wir müssen Quentin sprechen.“
Er half ihr, sich anzuschnallen und fuhr los. Keira kurbelte das Fenster herunter und ließ sich den frischen Wind ins Gesicht wehen. Allmählich entspannten sich ihre Gesichtszüge, aber sie spürte, dass eine weitere Welle folgen würde und nach dieser käme die nächste. Die Zeit rannte ihr davon und zum ersten Mal fürchtete sie, dass ihr Kampf möglicherweise umsonst war. Vielleicht stand ihr das Ende bevor, dasjede Chimäre irgendwann ereilte. Tod durch Wahnsinn. Meistens Selbstmord. Und trotzdem fand sie etwas Tröstliches in dieser Situation. Sie hatte jemand Besonderen kennengelernt, jemanden, dem sie vertraute, vor dem sie nicht die Flucht ergriff und das, obwohl sie ihn kaum kannte.
„Das war ein gutes Gespräch mit Ann Suther. Will hatte recht. Es geht um die Reinheit ihres Blutes. Sie haben ihr eine Probe entnommen, um es zu testen. Sie müssen eine Art Vorkoster haben. Jemanden der genauso empfindlich ist. Wer weiß, wie viele dieser Art es gibt“, sagte Killian.
„Wie bitte?“
„Ich versuche, dich abzulenken.“
Ja, das war keine schlechte Idee. Sie wollte sich ebenfalls auf den Fall zu konzentrieren. Aber das war nicht leicht. Immer wieder kehrten die Krämpfe zurück.
„Sie werden feststellen, dass es nicht ihren Ansprüchen genügt.“
„Somit ist Ann Suther nicht länger in Gefahr. Für andere Mädchen gilt das nicht“, sagte Keira.
„Ich habe noch nie gehört, dass Vampire wählerische Esser sind.“ Wäre es ihr besser gegangen, sie hätte über diese Absurdität gelacht. Denn eigentlich war das Gegenteil der Fall. Vampire waren alles andere als wählerisch.
„Jetzt haben wir zumindest einen Anhaltspunkt. Wir müssen mit diesem Will sprechen. Falls der uns überhaupt seine richtige Adresse gegeben hat.“ Er knetete seine Stirn. „Aber erst mal statten wir Quentin einen Besuch ab.“
„Wer ist das überhaupt?“ Ihre Stimme klang angestrengt.
„Ein alter Freund, der uns hoffentlich weiterhelfen kann. Wenn sich jemand mit Chimären auskennt, dann er. Vielleicht
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