Lykos (German Edition)
über, nahm eine Taschenlampe und – vorsichtshalber – seine Dienstwaffe mit und schlich die Treppe hinab. Angela Damm kam ebenfalls aus ihrem Zimmer und folgte ihm. Sie traten hinaus und lehnten die Tür vorsichtig an. Straub schaltete seine Taschenlampe ein und ließ den Lichtstrahl über den Hof gleiten. „Dort unter dem Tor hab ich es gesehen“, bemerkte er und deutete mit der Lampe zum Eingang des Hofes hin. Die beiden Polizisten schritten langsam nach vorn und blickten sich überall um. Hier im Inneren des Hofes war nichts zu entdecken, deshalb gingen sie aus dem Tor hinaus und warfen auch noch einen Blick auf die Straße. Aber auch hier fanden sie nichts außer einer Katze, die unterhalb der Mauer saß und sie mit gesträubtem Fell anfauchte, als sie in den Lichtkegel kam.
„Da ist wohl dein nächtlicher Besucher“, stellte Angela Damm fest.
„Ich weiß nicht, das war keine Katze“, schüttelte Straub seinen Kopf. „Es war größer und ...“, wollte er fortsetzen, als plötzlich mehrere laute Schreie aus dem Haus zu ihnen herüberhallten. Es krachte und die Schreie wiederholten sich. Straub und Damm blickten sich für einige Sekunden verwundert an. Es fielen mehrere Schüsse und das Krachen und Schreien verstärkte sich noch. Das war das Zeichen für die beiden Polizisten. Blitzschnell zogen sie ihre Waffen und stürmten zurück in das Haus, in dem urplötzlich der Wahnsinn ausgebrochen zu sein schien. Eine Spur der Verwüstung zog sich durch das Gebäude. Eins der rückseitigen Fenster war aus den Angeln gehoben und lag mit zerbrochenem Glas auf dem Boden. Einige Meter vor der Treppe lag einer der spanischen Polizisten und wälzte sich in einer großen Blutlache, während mehrere seiner Kollegen versuchten, ihn festzuhalten und die starke Blutung an seinem Hals zu stoppen. Unten wie oben liefen schreiende Menschen durcheinander, während man hinter einer der verschlossenen Türen im Obergeschoss ein lautes Fauchen und Brüllen vernehmen konnte. Einige der Polizisten stemmten sich mit entsetzten Gesichtern gegen die Tür und hielten sie mit aller Kraft zu, während irgend etwas von innen mit vollster Wucht dagegen hämmerte und rauszukommen versuchte.
Gariez und einige seiner Leute stellten sich mit gezogenen Waffen vor der Tür auf und wies die anderen Polizisten dann an, gleichzeitig wegzuspringen und den Weg freizumachen. Dazwischen liefen Leute wie Thea Buchwald und Dr. Leuschenberger vollkommen verstört umher und suchten Schutz vor dieser irrealen Situation, den sie nicht fanden. Zudem flackerte das Licht im gesamten Haus und drohte ständig, ganz auszubleiben – es war ein unglaubliches Chaos. Im nächsten Moment brüllte der spanische Kommissar seinen Befehl. Die Männer, welche die Tür festgehalten hatten, sprangen gleichzeitig zur Seite. Einer der Bewaffneten riss sie auf und vier oder fünf Mann schossen ihre gesamten Magazine auf ein von hier unten nicht sichtbares Ziel in dem Raum ab. Das Brüllen der Waffen erzeugte einen ohrenbetäubenden Lärm und die Schreie, die aus dem Zimmer kamen, waren markerschütternd.
Straub starrte fassungslos hinauf und sah die ganze Szene wie in Zeitlupe an sich vorüberziehen. Die Gesichter der Schießenden waren bis zum Äußersten angespannt und spiegelten gleichzeitig ihr Entsetzen wider. Mit jedem Schuss entstand ein wahres Gewitter an Mündungsfeuern im Halbdunkel des Flures und der Rauch wehte wie auf einem Schlachtfeld um die Männer herum. Auf was schossen sie so vehement? Was geschah hier und was trieb sie dazu, wie eine wild gewordene Soldateska in ein Zimmer zu schießen, in dem zuvor der Teufel gewütet zu haben schien?
Plötzlich wurde es vollkommen still im gesamten Haus. Kein Schuss wurde mehr abgegeben und kein Schrei drang aus dem Raum hinaus. Alle blickten wie gebannt nach oben und standen bewegungslos und stumm an ihrem Platz. Nur Straub und Damm eilten die Treppe hinauf und stellten sich zu den Polizisten, die noch immer mit zitternden Armen und dampfenden Waffen in den Raum hineinzielten. Aber es gab nichts mehr, auf das sie schießen konnten. Der schmale Schlafraum war voller Rauch und das Licht einer umgekippten Lampe ließ einen zusammengesackten Körper schemenhaft an der hinteren Wand erkennen. Alles war voller Blut, der Boden, die Wände, die Tür, alles schien wie mit einem Sprenkler begossen worden zu sein. Die zusammengesackte Gestalt war ein Mann von etwa vierzig Jahren Alters. Während sein Kopf kahl war, besaß er
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