Lykos (German Edition)
eine auffällig starke Körperbehaarung, die deutlich zu erkennen war, denn er lag vollkommen nackt auf dem Boden. Die Leiche war über und über mit Einschusslöchern übersät. Die Hände verkrampften sich noch in ein Laken, das tiefe, wie mit einer Harke gezogene Risse aufwies und ebenfalls blutverschmiert war.
Als die Polizisten langsam und vorsichtig in den Raum eintraten, sahen sie ein zweites Todesopfer auf der anderen Seite neben dem Bett auf dem Boden liegen. Es war die alte Señora des Hauses, wie Straub fassungslos feststellte. Sie war offensichtlich angegriffen und – wie bei den anderen Opfern des Mörders auch – durch einen Biss in die Kehle getötet worden. Er hatte sie also trotz aller Polizisten hier im Haus doch noch erwischt, bevor er erschossen werden konnte.
Der Oberkommissar betrachtete den eher schmächtig aussehenden Leichnam des Erschossenen und fragte sich, wie er mit dieser Statur jemals solche Kraft hatte entwickeln können? Irgend etwas stimmte hier nicht. Auch das verstörte Verhalten aller Beteiligten war noch mehr als eigenartig. Straub hörte mehrmals auch das Wort „Lupo“ aus den vielen Gesprächsfetzen, die er aufschnappte. Er zog sich mit seiner Kollegin etwas zurück und versuchte, die anderen Mitglieder der deutschen Sonderkommission in all dem Durcheinander ausfindig zu machen. Schließlich gelang es ihnen, Dr. Leuschenberger und die Reporterin zu finden, die von dem ganzen Chaos auch nur Bruchstücke mitbekommen hatten. Der Polizeipsychologe Krauser schien jedoch etwas mehr davon gesehen zu haben; allerdings stand er sichtbar unter Schock und starrte nur vor sich hin, wobei er ab und zu mit dem Kopf schüttelte und auf keine Frage wirklich reagierte.
Eine halbe Stunde nach diesen Ereignissen wimmelte es noch mehr vor Menschen in dem Haus. Notärzte waren in Scharen eingetroffen und versorgten die Verletzten. Kommissar Gariez ging mit einigen Herren von der Inselregierung durch das Gebäude und berichtete den besorgt aussehenden Männern von dem Vorfall, während die anderen Polizisten psychologisch betreut wurden. Der Raum mit den beiden Toten wurde abgeriegelt und offensichtlich von einer besonderen Einheit der Spurensicherung untersucht. Niemand durfte das obere Stockwerk noch betreten. Die deutsche Gruppe wurde nach einiger Zeit in einem der Wohnräume zusammengerufen und von Riajo betreut, der jedoch ebenfalls verstört wirkte aber krampfhaft versuchte, sich unter Kontrolle zu halten.
Straub und Damm blickten ihn erwartungsvoll an, doch der junge spanische Kollege sagte keinen Ton, sondern lief ständig wie ein aufgescheuchtes Tier hin und her. Schließlich wurde es dem Oberkommissar zu bunt und er versuchte, ein Gespräch zu beginnen: „Was ist dort oben vorhin eigentlich genau geschehen, Alessandro?“, wollte Straub wissen.
„Sie ..., sie haben es gesehen. Wir haben den ..., den Täter ... erwischt, wir haben ihn erwischt“, stotterte Riajo und wischte sich mit fahrigen Bewegungen im Gesicht herum.
„Kommen sie, was war da wirklich los? Dieser Mann kann doch nicht in ein Haus voller Polizisten eindringen, alles niedermachen und sein Opfer in aller Ruhe umbringen. Er war doch offensichtlich noch nicht einmal bewaffnet. Wie kann ein einzelner Mann ungehindert ein derartiges Chaos anrichten? Wer war dieser Mann?“
„Er war ... kein ..., ich kann ihnen jetzt nicht antworten, Señor“, schüttelte Riajo seinen Kopf.
Straub und Damm tauschten Blicke aus und verstanden sich auch ohne Worte. Riajo erzählte ihnen nicht die ganze Wahrheit und das war mehr als bedenklich. Der Oberkommissar ärgerte sich im Nachhinein, dass er ausgerechnet kurz vor den sich überschlagenden Ereignissen zusammen mit seiner Kollegin aus dem Haus gegangen war. „Aber wer weiß, wofür es gut war“, dachte er dann und zuckte mit den Schultern. Vielleicht hätten er und Angela Damm ansonsten jetzt auch verwundet oder gar tot auf dem Boden gelegen, denn die Kraft, die der Täter entwickelt hatte, war beängstigend. Sorgen machte Straub sich um den Polizeipsychologen Krauser, der sich noch immer nicht von seinem Schock erholt hatte und von den Notärzten mit in die Klinik nach Palma genommen wurde.
Nach weiteren zehn Minuten kam ein Mann in einem dunklen Anzug in Begleitung von Gariez zur Tür hinein. Er war ziemlich hochgewachsen und besaß kurzgeschorene Haare. Seine Mundwinkel waren auffällig nach unten gezogen und führten zwei Nasenfalten fort, die sich tief in das
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