Lynne Graham
vierundzwanzigkarätige Ruine, nichtsdestotrotz eine Ruine. Doch ganz gleich, wie hoch der Preis auch sein mochte, er würde das Anwesen kaufen.
Morton, der Notar, begrüßte sie in der Halle und führte sie in einen Salon, in dem das meiste Mobiliar mit Laken vor Staub geschützt wurde.
„Leider wird Mrs. Stewarts Enkelin Ophelia sich etwas verspäten. Aber sie ist sicher bald hier“, entschuldigte sich der ältere Mann beflissen.
In genau diesem Moment bremste Ophelia ihren zerbeulten Landrover im Hof mit quietschenden Reifen ab. Sie war spät daran, und sie war wütend. Denn obwohl sie den Notar informiert hatte, dass sie heute noch einen anderen Termin wahrnehmen musste, hatte er ihren Einwand ignoriert. Wer Geld hatte, hatte auch das Sagen, und ein griechischer Milliardär war sicherlich ein wesentlich wertvollerer Mensch als sie!
Diese unverfrorene Gleichgültigkeit ärgerte Ophelia maßlos. Die Beerdigung ihrer Großmutter war noch keine Woche her, und jede Minute ihres Tages war seither damit angefüllt, den Berg von Arbeit zu regeln, der sich vor ihr auftürmte. Außerdem hatte der Notar es nicht für nötig gehalten, sie rechtzeitig über die persönliche Anwesenheit von Lysander Metaxis bei der Testamentsverlesung in Kenntnis zu setzen. Dieses winzige Detail hatte er sich bis gestern aufgehoben.
Ophelia eilte durch die Küche. Es war Unsinn, dass Lysander Metaxis nach Madrigal Court eingeladen worden war. Denn was könnte ihre Großmutter schon dem Mitglied einer Familie vermachen, die sie ihr Lebtag verabscheut hatte? Völlig überrascht über Donald Mortons Mitteilung, dass ein Metaxis bei der Testamentseröffnung anwesend sein würde, war Ophelia schließlich zu dem einzig möglichen Schluss gelangt, dass ihre Großmutter bis zum letzten Atemzug noch von Rachegedanken geleitet worden war. Was genau die alte Dame sich ausgedacht hatte, konnte Ophelia sich allerdings beim besten Willen nicht vorstellen.
Ophelia hatte längst akzeptiert, dass Lysander Metaxis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Anwesen kaufen würde. Es war wohl das Beste, was diesem wunderbaren alten Haus widerfahren konnte. Es brauchte jemanden mit genügend Mitteln für die nötigen Renovierungen. Dennoch wäre es ihr lieber gewesen, wenn sie Lysander nicht treffen müsste. Sie konnte nicht vergessen, dass es sein Vater gewesen war, der das Leben ihrer Mutter zerstört hatte. Aristide war ein Playboy gewesen. Reich, verwöhnt und egoistisch. Ein Frauenheld, der sich nicht darum geschert hatte, welchen Schaden er anrichtete. Lysander Metaxis war noch dekadenter als sein verstorbener Vater, obwohl man heutzutage wesentlich toleranter war. Seit dreißig Jahren wäre er der erste Metaxis, der Madrigal Court betrat.
Vor dem Salon holte Ophelia noch einmal tief Luft, dann öffnete sie die Tür und trat ein.
Donald Morton, der Familienanwalt, wirkte gehetzt, als er eilig die formelle Vorstellung übernahm. „Mr. Metaxis, das ist Ophelia Carter.“
„Mr. Metaxis …“ Die Begrüßung klang mehr als hölzern. Ophelia hielt den Rücken gerade, als der Blick aus den braunen Augen sie traf. Natürlich hatte sie Fotos von ihm in den Zeitungen gesehen, aber sie hätte nicht gedacht, dass er so groß war. Sein Vater war ein eher kleiner, massiger Mann gewesen. Ihr stockte der Atem, denn Lysander Metaxis war ein ausnehmend gut aussehender Mann mit schwarzem Haar und markanten Zügen. Mit jeder Pore strahlte er Macht und Energie aus. Mehr noch … Sogar Ophelia konnte die schwelende Sinnlichkeit dieses Mannes spüren, dabei ließen Männer sie üblicherweise eher kalt.
„Miss Carter.“ Lysander hatte die Augen leicht zusammengekniffen. Irgendetwas an ihr fesselte ihn, er konnte nur nicht sagen, was es war. Sie war klein, mit goldenem Haar wie der Sonnenschein, das sie zu streng zurückgesteckt trug. Ihre Augen hatten die Farbe von hellen Aquamarinen und strahlten aus einem herzförmigen Gesicht. Erst im Nachhinein fiel ihm ihr Aufzug auf – sie trug eine Windjacke und Jeans, die Hosenbeine steckten in lehmigen Gummistiefeln. Als sie die Jacke ablegte, zeigten sich unter der Bluse erstaunlich pralle Kurven über- und unterhalb einer wespenschlanken Taille. Heiß, lautete sein Urteil schließlich. Und zwar richtig heiß. Die Reaktion seines Körpers erfolgte sofort und war schmerzhaft intensiv. Es erstaunte ihn.
Natürlich bemerkte Ophelia den Blick, der auf ihren vollen Brüsten haftete. „Was glauben Sie, wohin Sie da
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