Lynne Graham
Frau sein werde, von der er mit achtzehn geträumt hat.“
„Aber du bist mit seinem Bruder verheiratet!“, rief Kathy verärgert. Langsam verlor sie das Interesse an diesem Gerede. Sie machte sich los und wandte sich zum Gehen.
„Ich lasse mich gerade von Abramo scheiden – auf Sergios Anweisung“, erklärte Grazia mit einem vielsagenden Lächeln. „Lass dich nicht täuschen. Sergio tut vielleicht so, als würde er mich verachten, er ist jedoch immer noch fest entschlossen, mich zu bekommen. Er heiratet dich nur, damit seine Tochter seinen Namen trägt, genau wie sein Vater es für Abramo getan hat. Aber was zählt unter solchen Umständen schon ein Treueschwur?“
Wie betäubt ließ Kathy die junge Frau stehen. Sie ärgerte sich, dass sie ihr überhaupt zugehört hatte. Die Neuigkeit, dass Abramo und Grazia sich scheiden ließen, schockierte sie, auch wenn das nicht zwangsläufig bedeutete, dass es irgendeine Verbindung zwischen Grazia und Sergio gab.
Als Maribel sah, wie müde und abgespannt Kathy wirkte, schlug sie vor, aufzubrechen, was Kathy dankbar annahm.
Grazias Geschichte hat einen wahren Kern, gestand Kathy sich unglücklich ein. Sergio war ein stolzer, mächtiger Mann, willensstark und geheimnisvoll. So heftige Rachegefühle waren ihm durchaus zuzutrauen. Niemand wusste besser als sie selbst, wie eng Liebe und Hass miteinander verschmelzen konnten, bis es unmöglich war, die Grenzen zu bestimmen.
Leonidas und Maribel Pallis besaßen ein riesiges Landhaus außerhalb von Siena, doch auf der Fahrt dorthin konnte Kathy in der Dunkelheit nichts von der Landschaft erkennen. Sie freute sich darauf, Sergio zu sehen, selbst wenn sie sich wieder nur stritten. Doch als sie in der Villa ankamen, ließen die Männer sich nicht blicken. Maribel brachte Kathy ins Kinderzimmer, in dem Ella friedlich in der Wiege schlummerte. Dann zeigte sie ihr das prächtige Brautzimmer und ließ sie allein. Kathy war unglaublich müde, doch jetzt brauchte sie es endlich nicht mehr zu verstecken. Sie sackte auf einem Stuhl zusammen, und selbst die Vorstellung, sich ausziehen zu müssen, war zu viel.
Als Sergio eintrat, pochte ihr Herz in einem Anflug von Freude und Erleichterung. Ihre ganze Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf ihn. In dem maßgeschneiderten Jackett und den Designerjeans kam seine natürliche Eleganz wunderbar zur Geltung. Sie verdrängte den Gedanken an Grazia, fest entschlossen, nicht in Panik zu geraten und keine dummen Fragen zu stellen, die nur wieder zu Reibereien führten.
„Maribel und Tilda haben keine Ahnung, wie erschöpft du sein musst, tesoro mio. Du hattest einen Kaiserschnitt, und danach hast du dich wochenlang um Ella gesorgt. Du brauchst Zeit, um dich zu erholen.“
Schuldgefühle plagten Kathy. Er missgönnte ihr den Ausflug also gar nicht, sondern sorgte sich nur um sie! „Ich hätte auch Nein sagen können.“
„Wann entscheidest du dich schon für die vernünftige Lösung, wenn der Vorschlag von mir kommt?“
Kathy errötete leicht, denn Sergio hatte recht. Sie war stets so sehr darauf bedacht, sich nicht unterkriegen zu lassen, dass ihre Entscheidungen häufig vor allem ihre Unabhängigkeit betonten und nicht gerade praktisch waren.
Sergio kam auf sie zu und hob sie hoch. Ohne Anstrengung trug er sie durch das Zimmer und setzte sie auf das Bett. Kathy widerstand der Versuchung, in seinem dichten schwarzen Haar zu wühlen. Sein Kopf war auf gleicher Höhe mit ihren Knien, als er in die Hocke ging und ihr die Schuhe auszog. Sie wollte, dass er blieb. Sie wollte es so sehr, dass sie die Finger in das Bettzeug krallte. Doch sie sagte nichts, weil sie auf keinen Fall den Eindruck erwecken wollte, sie klammere sich an ihn.
„Du brauchst all deine Kraft für die Hochzeit.“ Sergio richtete sich auf. Er hielt inne, dann neigte er sich zu ihren vollen rosigen Lippen und stahl sich einen Kuss. Kathy war überrascht und erbebte vor Lust. Ihr Puls raste. „Und für mich, dolcezza mia.“
Später lag sie schläfrig in der Dunkelheit im Bett und spürte ihrer Sehnsucht nach. Gleichzeitig hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie Sergio nichts von Abramos Besuch oder Grazias geschmacklosem Gerede erzählt hatte. Es fühlte sich nicht richtig an, Geheimnisse vor dem Mann zu haben, den sie heiraten würde. Andererseits hielt er sie womöglich für eifersüchtig. Sie war sich schmerzlich bewusst, dass er sie nicht liebte. Nur wegen Ella war er bereit, sie zu heiraten. Kathy verachtete
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