Lynne Graham
hatte sie die Auseinandersetzung zwischen Braut und Bräutigam genau beobachtet.
Die folgenden Sekunden würden sich für immer in Kathys Gedächtnis einprägen. Irgendjemand stieß sie von hinten an, sodass sie stolperte. Ihr Arm zuckte in die Höhe, und obwohl es ihr gelang, ihr Glas festzuhalten, ergoss sich der Rotwein in hohem Bogen über Grazias helles Kleid und hinterließ Flecken, die aussahen wie Blutstropfen.
„Oh Gott, das tut mir so leid“, keuchte Kathy und griff hastig nach einer Serviette.
Grazia stieß einen spitzen Schrei aus, als sei sie angegriffen worden, und weigerte sich, Kathy an sich heranzulassen. Während sie die Flecken untersuchte, zischte sie ihr wütend auf Italienisch etwas zu. Kathy wusste nicht, was sie tun oder sagen sollte. Doch da tauchte zum Glück wie aus dem Nichts Maribel als rettender Engel auf. Unbeeindruckt von Grazias hysterischem Gebaren, führte sie die Blondine aus dem Gedränge.
Einen Augenblick lang war es ganz still in dem Ballsaal. Die Ruhe vor dem Sturm. Dann begannen die Gäste zu flüstern, bis das Gemurmel zu einem einzigen Brummen anschwoll.
Eine Hand schloss sich um Kathys und drehte sie um. Sergio löste ihre Finger von der Serviette, die sie immer noch fest umklammert hielt. Verwirrt schaute sie zu ihm hoch. Sein Gesicht zeigte keine Regung, als er sie mit sich auf die Tanzfläche zog.
„Es war ein Unfall“, erklärte Kathy.
Sergio sprach nicht. Das war auch nicht nötig, denn sie erkannte an seinem Blick, dass er ihr nicht glaubte.
„Sag doch was“, drängte sie.
„Ich habe keine Lust, mich zur Erheiterung unserer Gäste mit dir zu streiten.“
Sie versteifte sich. In ihrem Inneren mischten sich Angst und Wut, bis sie buchstäblich unter der Macht ihrer Gefühle zu zittern begann. Mit einem aufgesetzten Lächeln, das die Umstehenden ablenken sollte, machte sie sich von Sergio los. Fest entschlossen, niemandem zu zeigen, wie es in ihr aussah, ließ sie ihn erneut stehen.
Fast blind vor Tränen, eilte sie nach oben in ihre Suite. Nur Sekunden später trat Sergio durch die Tür. „Was, zum Teufel, hast du dir dabei gedacht?“
„Ehrlich, ich habe es nicht absichtlich getan“, stieß sie heftig hervor. „Du sprichst nicht mit deinem Bruder, obwohl er ein netter Kerl ist, aber für diese abscheuliche Hexe rollst du auf meiner Hochzeit den roten Teppich aus!“
„Wann hast du meinen Bruder kennengelernt, um zu diesem Schluss zu kommen?“
„Nie bist du da, wenn man dich braucht, und immer gehst du davon aus, dass ich etwas falsch gemacht habe“, warf Kathy ihm vor und ignorierte seine Frage. „Grazia hat mich gestern Abend abgefangen und mich provoziert. Heute sollte mein großer Tag sein, aber du hast alles verdorben!“
Überrascht hob er die Augenbrauen. „Du hast Grazia gestern Abend in Florenz getroffen?“
„Du hast alles verdorben – einfach alles!“, wiederholte Kathy. Im Stillen zählte sie jede einzelne seiner Sünden auf und kam zu dem Urteil, dass er schuldig war und dass sie ihm unmöglich vergeben konnte. „Ich werde jetzt packen und nach London zurückfahren …“
„Kathy! Wir haben gerade geheiratet!“
„Ja!“, stieß sie aufgebracht hervor. „Aber ich sehe schon, dass ich einen furchtbaren Fehler gemacht habe, und ich bin nicht stolz darauf.“
Sergio schaute sie an. „Du hast dir das nicht richtig überlegt …“
„Du hast mich in einem schwachen Moment gefragt, dich zu heiraten. Ich lag in den Wehen, mein Gott! Wenn ich in einem normalen Zustand gewesen wäre, hätte ich niemals zugestimmt, deine Frau zu werden. Ich verlasse dich …“
Sergio machte einen Satz zur Tür und versperrte sie mit seinem kräftigen Körper. „Nein, das tust du nicht, tesoro mio.“ Er holte sein Handy aus der Tasche und telefonierte kurz.
„Was tust du da?“
„Wir werden zusammen abreisen. Ich habe vielleicht deinen Tag ruiniert, aber das ist kein Grund, unsere Gastgeber und Gäste mit hineinzuziehen.“
Kathy musterte ihren Koffer, der für die Abreise bereitstand, und ließ sich aufs Bett sinken. „Du machst mich unglücklich …“
Vorsichtig kam Sergio näher. „Wir fangen doch gerade erst an. Offensichtlich bin ich alles andere als perfekt. Aber warum hast du mir nicht erzählt, dass du Abramo oder Grazia getroffen hast?“
„Ich wollte uns die Hochzeit nicht verderben“, schluchzte Kathy. „Wenn du gewollt hättest, dass ich über sie Bescheid weiß, hättest du mir von ihnen erzählen
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