Lynne Graham
als sie sich Grazias selbstgefällige Ausstrahlung ins Gedächtnis rief. Diese Frau war sich ihrer Anziehungskraft sehr bewusst. Die Nachricht, dass sie statt Sergio seinen Bruder heiratete, musste wie Salz in einer offenen Wunde gewirkt haben. Doch es beunruhigte Kathy, dass beide Brüder ohne Weiteres zu akzeptieren schienen, dass für Grazia Geld das Wichtigste war.
„Sie hat die Lügen über dich und deine Stiefmutter bestimmt nicht geglaubt.“
„Natürlich nicht.“ Sergio streckte die Arme aus und zog Kathy mit jener Selbstsicherheit an sich, die so sehr zu ihm gehörte. „Bist du immer noch sicher, dass du mich verlassen willst?“
Der plötzliche Themenwechsel verwirrte sie. Ihre Blicke trafen sich, und eine so starke Sehnsucht erwachte in Kathy, dass ihr flau wurde im Magen und die Beine zu zittern begannen. Ihm so nah zu sein, seinen Körper an ihrem zu spüren weckten ein beinahe schmerzhaftes Verlangen in ihr. Verwirrt fragte sie sich, ob sie jemals eine echte Chance gehabt hatte, ihn zu verlassen. Oder war das nur eine Fantasie, die sie brauchte, um ihren Stolz zu bewahren? Denn in diesem Moment hätte nur rohe Gewalt sie aus seinen Armen entreißen können.
„Ist es zu spät, um dir einen Handel vorzuschlagen?“, fragte Sergio heiser und zeichnete ihre vollen Lippen mit dem Finger nach. „Gewährst du mir eine Probezeit bis zum Ende der Flitterwochen?“
„Und wie soll ich zu einer Entscheidung kommen?“, flüsterte Kathy. „Soll ich dir Ziele setzen, die du erreichen musst? Je nach Leistung Punkte vergeben? Und dich für besonders gelungene Darbietungen belohnen?“
„Alles, dolcezza mia.“ Bewundernd sah er sie an, als er sie dichter an sich zog. „Belohnung funktioniert bei mir am besten.“
9. KAPITEL
„Und? Wie findest du es?“, wollte Sergio wissen, als sie weit genug von dem Hubschrauber entfernt waren, der sie zum Palazzo Azzarini gebracht hatte.
Bereits aus der Luft hatten die architektonische Pracht und die Größe des auf einem Hügel thronenden Gebäudes Kathy aus der Fassung gebracht. Sergio ergriff ihre Hand und stieg mit ihr die Treppe zur Terrasse hinauf. „Dieses Haus befindet sich seit Jahrhunderten im Besitz meiner Familie. Fast zehn Jahre lang gehörte es Cecilia und Abramo, aber vor zehn Monaten habe ich es zurückgekauft. Im Moment wird es renoviert, doch wenn es fertig ist, werden wir hier leben – es wird Ellas und unser Zuhause.“
Kathy räusperte sich leise. „Ziel eins: Wichtige Entscheidungen treffen wir gemeinsam.“
Ein jungenhaftes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Natürlich werde ich dich nicht zwingen, zu bleiben, wenn du es hasst, hier zu wohnen. Aber du magst das Landleben, und du weißt, dass du …“
„Wann bist du denn zu diesem Schluss gekommen?“
„Vielleicht kenne ich dich besser, als du denkst. Du wirst das Land und die Leute hier lieben, bella mia.“
Die Erwähnung ihrer Tochter lenkte sie ab. „Ich vermisse Ella jetzt schon.“
„Ich bin sicher, dass es ihr eine Woche lang auch ohne uns gut geht“, beruhigte Sergio sie. „Maribel kann fantastisch mit Kindern umgehen.“
Kathy wusste, dass sie etwas Zeit für sich allein brauchten, doch sie konnte einfach nicht aufhören, sich Sorgen um ihr Baby zu machen.
Sie stützte die Hände auf die verwitterte Steinbalustrade der Terrasse, die immer noch warm von der Hitze des Tages war. Die Stille war eine Wohltat nach dem Trubel der großen Hochzeitsfeier. Es war früh am Abend, und ein leichter Nebel lag über dem fruchtbaren Tal, das man vom Palazzo aus überblicken konnte. Nichts von dem, was sie sah, erinnerte sie an das einundzwanzigste Jahrhundert. Weinstöcke wuchsen auf den sanften Hügeln. Hier und da schimmerte das silbrige Laub eines Olivenhains auf. Die Aussicht war absolut atemberaubend.
Sie verließen die Terrasse und betraten die Eingangshalle. Staunend wanderte Kathy durch das riesige Foyer, das verblasste Fresken und gewaltige Säulen zierten. Die Aussicht, inmitten dieser Pracht zu leben, entlockte ihr ein Lachen. Von irgendwoher hörte sie leise Musik, und als Kathy die Melodie erkannte, bewegte sie sich im Takt und machte ein paar Tanzschritte.
Nach einer Weile begegnete sie Sergios intensivem Blick und hörte auf zu tanzen. Obwohl ihr vor Verlegenheit Röte in die Wangen stieg, konnte sie ein Lächeln nicht unterdrücken.
„Du bist so voller Leben, bella mia“, murmelte Sergio mit belegter Stimme. „Und du bist so unglaublich
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