Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
offen.
Die Sonne sank. Die Kinder arbeiteten langsamer. Selbst Nerulfs Drohungen und Peitschenknallen wurden lustloser und träger. Wenig später hörten die Kinder ganz mit der Arbeit auf und drängten sich ängstlich zusammen, verstohlene Blicke zum Haus werfend. Nerulf hob seine Peitsche. »In Zweierreihe angetreten! Marsch!«
Die Kinder bildeten eine versprengte Zweierreihe und marschierten ins Haus. Das Portal schloß sich hinter ihnen mit einem unheilschwangeren, schmetternden
Bum!
, das über die Wiese hallte.
Zwielicht ließ die Landschaft verschwimmen. Aus den Fenstern hoch an der Seite des Hauses drang gelbes Lampenlicht. Dhrun schlich sich vorsichtig an das Haus heran, und nachdem er seinen Talisman berührt hatte, kletterte er an der rauhen Steinwand zu einem Fenster hoch, wobei er geschickt die Risse und Fugen in der Wand als Leiter benutzte. Zuletzt zog er sich auf den breiten Steinsims hinauf. Die Läden waren angelehnt. Durch den Spalt konnte Dhrun den gesamten Hauptsaal überblicken, der von sechs Lampen in eisernen Wandhaltern und dem Feuer im großen Kamin erhellt war.
Arbogast saß an einem Tisch und trank Wein aus einem Zinnbecher. Ihm gegenüber, am anderen Ende des Saales, saßen die Kinder mit dem Rücken zur Wand und starrten ihn mit gebanntem Entsetzen an. An einem Spieß über dem Feuer brutzelte der mit Zwiebeln gestopfte Leib eines Kindes. Nerulf drehte den Spieß und bestrich den Braten mit Öl und Schmalz. In einem großen schwarzen Kessel kochten Kohl und Rüben. Arbogast trank einen Schluck Wein und rülpste. Dann nahm er ein Diabolo zur Hand, streckte die mächtigen Beine von sich und ließ die Spindel mit einem vergnügten Kichern hin und her rollen. Die Kinder hockten ängstlich zusammengekauert da und sahen ihn mit weit aufgerissenen Augen und offenen Mündern an. Einer der kleineren Jungen begann zu wimmern. Arbogast warf ihm einen kühlen Blick zu. Nerulf rief mit einer Stimme, die gewollt leise und melodisch klang: »Sei still, Daffin!«
Nun verzehrte Arbogast seine Mahlzeit. Die Knochen warf er ins Feuer. Die Kinder löffelten währenddessen eine Kohlsuppe. Danach trank Arbogast mehrere Minuten lang schweigend Wein, wobei er, mehrmals rülpsend, vor sich hindöste. Dann drehte er sich in seinem Stuhl herum und musterte die Kinder, die sofort noch näher aneinanderrückten. Wieder begann Daffin zu winseln, und wieder wurde er von Nerulf zur Ruhe gemahnt. Doch auch letzterer schien sich ebenso unbehaglich zu fühlen wie die anderen.
Arbogast langte in einen hohen Schrank und stellte zwei Flaschen auf den Tisch, eine hohe von grüner Farbe und eine gedrungene von dunklem, fast schwarzem Purpur. Daneben stellte er zwei Becher, einen grünen und einen purpurfarbenen, und goß in jeden von ihnen einen Schluck Wein. Alsdann goß er in den grünen Becher vorsichtig einen Tropfen aus der grünen Flasche und in den purpurfarbenen einen aus der schwarz-purpurnen Flasche.
Arbogast erhob sich jetzt aus seinem Stuhl. Schnaufend und grunzend stapfte er durch den Saal. Er versetzte Nerulf einen Tritt, so daß dieser in die Ecke flog, und stellte sich mit musterndem Blick vor die Gruppe. Er deutete mit dem Finger. »Ihr zwei dort, tretet vor!«
Zitternd erhoben sich die zwei Mädchen, die er am selben Tage gefangen hatte, und näherten sich ihm zögernd. Dhrun, der vom Fenster aus zuschaute, fand beide sehr hübsch, besonders das blonde Mädchen, auch wenn das dunkelhaarige vielleicht ein halbes Jahr weiter auf dem Wege zur Frau war. Arbogast säuselte in einer Stimme, die in ihrer bemühten Heiterkeit und Koketterie eher albern klang: »Sieh da! Zwei feine junge Hühnchen, zart und schmackhaft. Wie heißt du? Du da!« Er zeigte auf das blonde Mädchen. »Wie lautet dein Name?«
»Glyneth.«
»Und deiner?«
»Farence.«
»Allerliebst, allerliebst! Beides ganz reizende Namen! Nun, wer wird die Glückliche sein? Heute nacht soll es Farence sein.«
Er packte das dunkelhaarige Mädchen und hob es auf sein riesiges, zwanzig Fuß langes Bett. »Herunter mit deinen Kleidern!«
Farence fing an zu weinen und flehte um Gnade. Arbogast stieß ein wildes Schnauben der Wut und des Vergnügens aus. »Hurtig jetzt! Oder ich reiße sie dir vom Leib, und dann hast du keine Kleider mehr zum Anziehen!«
Mit unterdrücktem Schluchzen stieg Farence aus ihrem Kittel. Arbogast gab ein entzücktes Kichern von sich. »Was für ein hübscher Anblick! Gibt es etwas Schmackhafteres als ein nacktes
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