Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
gemacht haben ...«
»Du würdest sie niemals finden. Sie sind genauso herzlos wie die Elfen, vielleicht gar noch mehr. Womöglich würden sie auch dir etwas antun. Laß uns von hier fortgehen.«
Am späten Nachmittag stießen sie auf die Ruinen einer christlichen Kapelle, erbaut von einem längst vergessenen Missionar. Neben ihr standen ein Pflaumenbaum und ein Quittenbaum, beide voll mit Früchten. Die Pflaumen waren reif; hingegen schmeckten die Quitten, obgleich von feiner Färbung, herb und bitter. Glyneth pflückte Pflaumen, die sie anstelle eines Abendessens verzehrten. Alsdann bereitete sie zwischen den Ruinen ein weiches Bett aus Gras. Dhrun saß währenddessen stumm da und starrte blind hinaus auf den Fluß.
»Ich glaube, der Wald lichtet sich allmählich«, sagte Glyneth zu Dhrun. »Nicht mehr lange, und wir sind wieder unter zivilisierten Menschen und in Sicherheit. Dann werden wir wieder Brot und Fisch zum Essen haben, Milch zum Trinken und richtige Betten zum Schlafen.«
Der Sonnenuntergang flammte über dem Wald von Tantrevalles auf, verblaßte zur Dämmerung. Dhrun und Glyneth begaben sich in ihr Bett; sie wurden rasch müde und schliefen ein.
Kurz vor Mitternacht ging der Halbmond auf, spiegelte sich glitzernd im Fluß wider und schien Glyneth ins Gesicht. Sie wachte auf. Sie lag warm und schläfrig, lauschte den Grillen und Fröschen ... Ein aus weiter Ferne kommendes trommelndes Geräusch drang an ihr Ohr. Es wurde lauter. Gleich darauf vernahm sie das Klirren von Ketten und das Knarren von Sattelleder. Glyneth stützte sich auf einen Ellenbogen und spähte. Ein Dutzend Reiter kamen den Flußpfad herauf. Sie hingen tief ihn ihren Sätteln; ihre Umhänge wehten flatternd hinter ihnen her. Der Mondschein beleuchtete ihre antiken Rüstungen und schwarzen Lederhelme. Einer der Reiter – sein Kopf lag fast auf der Mähne des Pferdes – wandte sich im Sattel um, und sein Blick fiel für einen kurzen Moment auf Glyneth. Der Mond schien in sein bleiches Gesicht, dann war die gespenstische Kavalkade vorbei. Das Trommeln verebbte in der Ferne und verstummte schließlich.
Glyneth sank zurück ins Gras und schlief schließlich ein.
Als der Morgen graute, stand Glyneth leise auf und versuchte, einen Funken aus einem Feuerstein, den sie gefunden hatte, zu schlagen und so ein Feuer zu entfachen, aber ohne Erfolg.
Dhrun erwachte. Er stieß einen erschreckten Schrei aus, den er rasch unterdrückte. Nach einem Augenblick des Schweigens sagte er: »Es war doch kein Traum.«
Glyneth schaute ihm in die Augen. »Ich sehe die goldenen Kreise noch immer.« Sie küßte Dhrun. »Aber sei nicht verzagt. Wir finden schon einen Weg, dich zu heilen. Erinnerst du dich, was ich gestern gesagt habe? Magie gibt, Magie nimmt.«
»Ich bin sicher, daß du recht hast.« Dhruns Stimme klang hohl. »Jedenfalls läßt es sich jetzt nicht ändern.« Er stand auf und stolperte sogleich über eine Wurzel. Als er die Arme hochriß, um sich zu fangen, verfing er sich mit dem Daumen in dem Kettchen, an dem sein Amulett hing. Das Kettchen riß und flog mitsamt dem Amulett in hohem Bogen ins Gras.
Glyneth kam sofort zu ihm gesprungen. »Hast du wir weh getan? Oh, dein armes Knie, du hast es dir an dem scharfen Stein blutig geschlagen!«
»Das mit dem Knie ist nicht so schlimm«, krächzte Dhrun. »Viel schlimmer ist, daß ich meinen Talisman verloren habe! Ich habe das Kettchen zerrissen, und jetzt ist er fort!«
»Es läuft schon nicht weg«, sagte Glyneth mit nüchterner, beschwichtigender Stimme. »Erst verbinde ich dein Knie, dann suche ich deinen Talisman.«
Sie riß einen Streifen von ihrem Unterrock und wusch die Wunde mit Wasser aus einer kleinen Quelle aus. »Wir lassen das jetzt trocknen, dann mache ich dir einen sauberen Verband und bald bist du wieder so munter wie eh und je.«
»Glyneth, bitte suche meinen Talisman! Du darfst damit nicht warten. Stell dir nur vor, eine Maus schleppt ihn weg!«
»Dann würde sie die tapferste aller Mäuse! Alle Katzen und Eulen würden den Schwanz einziehen und fliehen.« Sie tätschelte Dhrun die Wange. »Aber ich suche ihn ja jetzt ... Er muß in diese Richtung geflogen sein.« Sie bückte sich und spähte hierhin und dorthin. Fast sofort erblickte sie das Amulett. Wie das Pech es wollte, war der Stein hart auf einen Felsen geprallt und in tausend Stücke zersprungen.
»Siehst du ihn?« fragte Dhrun besorgt.
»Ich glaube, er ist in dieses Grasbüschel gefallen.« Glyneth
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