Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
funkelte der Stahl eines weiteren anrückenden Truppenverbandes im Licht der Morgensonne.
Aillas schätzte die Stärke der Ska ab. Das Kontingent war nicht so groß, wie er zuerst angenommen hatte – vielleicht nicht größer als tausend Mann.
Taussig bemerkte sein Interesse und stieß ein hartes Lachen aus. »Zähle nicht auf eine Schlacht, Bursche. Gib dich keinen falschen Hoffnungen hin! Für Ruhm allein werden sie nicht kämpfen, es müßte schon sonst etwas zu gewinnen sein. Sie sind nicht so dumm, ein unnötiges Risiko einzugehen, da kannst du sicher sein!«
»Aber die Belagerung werden sie abbrechen müssen.«
»Das ist ohnehin bereits beschlossene Sache. Sie hatten gehofft, Carfilhiot überrumpeln zu können. Pech gehabt! Er hat sie mit seinen Bubenstreichen überlistet. Beim nächstenmal wird die Sache anders aussehen, du wirst sehen!«
»Ich habe nicht die Absicht, mit dabeizusein.«
»Ha, das sagst du! Ich bin seit neunzehn Jahren Skaling. Ich habe eine Stellung von hoher Verantwortung, und in elf Jahren habe ich meine Pension. Meine Hoffnungen sind auf der Seite meiner eigenen Interessen!«
Aillas musterte ihn mit einem verächtlichen Blick. »Ich glaube nicht, daß Ihr die Freiheit gewinnen wollt.«
Taussig wurde schlagartig kurz angebunden. »Nun also! Das sind Reden, für die ich dich auspeitschen lassen könnte! Da kommt das Signal zum Aufbruch. Marsch!«
Die Ska verließen mit ihren Skalingen den Kamm und machten sich auf den Weg über die Heide von Süd-Ulfland. Dieses Land war anders als alles, was Aillas bisher gesehen hatte: niedrige Hügel, bewachsen mit Stechginster und Erika, und Täler, durch die kleine Bäche rannen. Die Höhen waren von Felsaustritten vernarbt. Hier und da warf dorniges Gestrüpp seine Schatten. Bauern, die die schwarzen Truppen herannahen sahen, flohen in alle Himmelsrichtungen. Weite Gebiete lagen verlassen. Zwischen den halbverfallenen Hütten und eingestürzten Steinumfriedungen wucherte ungehemmt der Stechginster. Die Burgen auf den Höhen legten Zeugnis ab von der ständig drohenden Gefahr von Stammesfehden und vom Überhandnehmen nächtlicher Überfälle. Viele dieser Burgen lagen in Trümmern, ihre Überreste waren von Flechten überzogen.
Andere, die sich hatten halten können, zogen die Zugbrücken hoch und bemannten die Brustwehren, bis die Truppen der Ska vorübergezogen waren.
Die Hügel wurden größer. Dazwischen dehnten sich Flächen sauren schwarzen Bodens und Torfmoore. Die Wolken jagten niedrig dahin; manchmal rissen sie auf und ließen ein paar Strahlen Sonnenlicht durch, doch nur, um sich gleich darauf wieder zusammenzuziehen und das Licht fernzuhalten. Nur wenige Menschen bewohnten diese Gegend, abgesehen von ein paar Kleinbauern, Zinnbergleuten und Gesetzlosen.
Aillas marschierte, ohne zu denken. Das einzige, was er wahrnahm, waren der breite Rücken und das zerzauste Haar des Mannes vor ihm und das Zerren der zwischen ihren Hälsen schwingenden Kette.
Er aß auf Befehl, schlief auf Befehl; er sprach mit niemandem, abgesehen von dem einen oder andern gelegentlichen Murmeln, das er mit Yane, der neben ihm dahinschlurfte, wechselte.
Die Kolonne marschierte nur eine halbe Meile landeinwärts an der befestigten Stadt Oäldes vorüber, wo König Oriante schon lange Hofhielt, volltönende Kommandos ausstieß, die selten befolgt wurden, und die meiste Zeit im Palastgarten bei seinen zahmen weißen Kaninchen verbrachte. Als die Ska-Truppen nahten, fiel das Fallgitter mit lautem Klirren herunter, und Bogenschützen tauchten auf den Burgmauern auf. Die Ska schenkten ihnen keine Beachtung und marschierten weiter über die Küstenstraße, begleitet vom Donnern der Atlantikbrandung.
Wenig später kam eine Ska-Patrouille angeritten. Die Nachricht, die sie brachte, sickerte rasch bis zu den Skalingen durch: König Oriante war in Zuckungen gestorben, und der schwachsinnige Quilcy war ihm auf den Thron von Süd-Ulfland gefolgt. Er teilte seines Vaters Interessen an weißen Kaninchen und ernährte sich, wie es hieß, nur von Vanillepudding, Honigbrötchen und süßem Auflauf.
Yane erklärte Aillas, warum die Ska König Oriante und jetzt Quilcy unbehelligt regieren ließen.
»Sie bereiten den Ska keine Unannehmlichkeiten. Ihretwegen könnte Quilcy für immer regieren, solange er nur bei seinen Puppenstuben bleibt.«
Die Marschkolonne erreichte Nord-Ulfland, dessen Grenze lediglich durch einen Steinhaufen am Wegesrand markiert war.
Die Fischerdörfer
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