Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
Troicer bist, liegen wir nominell im Krieg miteinander. Das ist natürlich Unsinn, und ich mache in aller Aufrichtigkeit gemeinsame Sache mit dir. Doch wenn wir nach Lyonesse kommen, müssen sich unsere Wege trennen.«
»So soll es denn sein. Doch betrachte uns nun: In Sklavenkleidern, mit eisernen Kragen um den Hals, schleichen wir durch die Nacht wie streunende Hunde. Zwei feine Herren, in der Tat! Und da wir kein Geld haben, müssen wir uns unser Essen stehlen wie jede andere gewöhnliche Bande Vagabunden auch.«
»Schon andere hungrige Edelmänner haben ähnliche Kompromisse schließen müssen. Wir werden Seite an Seite stehlen, so daß keiner geringschätzig auf den anderen hinabblicken kann. Und ich schlage vor, daß wir, wenn irgend möglich, von den Reichen stehlen, auch wenn die Armen vielleicht leichtere Beute sind.«
»Die Umstände werden uns leiten ... Ich höre Hundegebell. Voraus liegt ein Dorf. Gewiß gibt es dort eine Schmiede.«
»Zu dieser nächtlichen Stunde wird der Schmied in tiefem Schlummer liegen.«
»Ist er ein gutherziger Mann, so steht er vielleicht auf, um einer verzweifelten Gruppe wie der unseren zu helfen.«
»Wenn nicht, können wir ihm beim Aufstehen ja ein wenig nachhelfen.«
Vor ihnen tauchten die Häuser eines Dorfes grau im Mondlicht auf. Die Straßen waren leer. Nirgends war ein Licht zu sehen, außer in den Fenstern der Taverne, aus der die Gerüche eines stürmischen Gelages drangen.
»Morgen muß ein Festtag sein«, sagte Garstang. »Schau, auf dem Platz steht schon der große Kessel für den Festochsen.«
»Ein gewaltiger Kessel fürwahr, aber wo ist die Schmiede?«
»Sie muß dort hinten liegen, die Straße hinunter, so sie überhaupt existiert.«
Die Gruppe marschierte die Straße hinunter und fand am Rande des Dorfes die Schmiede. In dem steinernen Wohnhaus, das sich dahinter erhob, war Licht zu sehen.
Aillas ging zur Tür und klopfte leise an. Nach einer Weile öffnete sich langsam die Tür. Im Rahmen erschien ein junger Mann von siebzehn oder achtzehn Jahren. Er schien bedrückt, fast verstört, und als er sprach, klang seine Stimme vor innerer Spannung gebrochen. »Herr, wer seid Ihr? Was wollt Ihr hier?«
»Freund, wir brauchen die Hilfe eines Schmieds. Wir sind erst heute den Ska entflohen, und wir können diese abscheulichen Eisenkragen nicht einen Moment länger ertragen.«
Der junge Mann stand unschlüssig. »Mein Vater ist Dorfschmied hier in Vervold. Ich bin Elric, sein Sohn. Aber da er sein Gewerbe nie wieder ausüben wird, bin ich jetzt der Schmied. Kommt mit in die Werkstatt.« Er holte eine Lampe und ging voraus in die Schmiede.
»Ich fürchte, Eure Arbeit muß ein Akt der Nächstenliebe bleiben«, warnte Aillas den jungen Mann. »Wir können nur mit dem Eisen der Kragen bezahlen, da wir sonst nichts besitzen.«
»Das macht nichts.« Die Stimme des jungen Schmiedes klang gleichgültig. Der Reihe nach knieten sich die acht Flüchtlinge vor den Amboß. Mit Hammer und Meißel schlug der Schmied geschickt die Nieten ab. Einer nach dem andern erhob sich, von seinem Eisenkragen befreit.
»Was ist Eurem Vater zugestoßen?« fragte Aillas. »Ist er gestorben?«
»Noch nicht. Morgen früh ist seine Zeit. Er wird in einem Kessel gekocht und an die Hunde verfüttert.«
»Das ist fürwahr eine schlimme Nachricht. Was hat er verbrochen?«
»Er ließ sich zu einer Gewalttat hinreißen.« Elrics Stimme klang düster. »Als Lord Halies aus seiner Kutsche stieg, schlug mein Vater ihm ins Gesicht und trat ihn und fügte Lord Halies so Schmerzen zu.«
»Ungebührlichkeit, allermindestens. Was war es, das ihn so herausforderte?«
»Das Wirken der Natur. Meine Schwester ist fünfzehn Jahre alt. Sie ist sehr schön. So war es nur natürlich, daß Lord Halies sie mit sich nach Fair Aprillion nehmen wollte, um mit ihr das Lager zu teilen – und wer würde ihm das verübeln wollen, hätte sie seinem Ansinnen zugestimmt? Aber sie wollte nicht mitkommen, und da schickte Lord Halies seine Diener aus, sie zu holen. Mein Vater, obwohl Schmied, ist unbesonnen und glaubte, er könne das Unrecht wiedergutmachen, indem er Lord Halies schlug und trat. Nun muß er für seine Unbeherrschtheit in einem Kessel kochen.«
»Dieser Lord Halies – ist er reich?«
»Er lebt auf Fair Aprillion, einem herrschaftlichen Haus mit sechzig Gemächern. Er hält sich einen Stall feiner Pferde. Er speist Lerchen, Austern und in Safran und Nelken gesottenes Fleisch, mit Weißbrot und
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