Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
Flusse Murmeil. Der Sommer war lang. Es war eine bittersüße Zeit für jeden der drei. Dhrun war regelmäßig von kleinen seltsamen Mißgeschicken heimgesucht: Heißes Wasser verbrühte ihm die Hand, Regen durchweichte sein Bett. Einmal, als er hinter eine Hecke ging, um sein Wasser abzuschlagen, fiel er in die Nesseln. Doch er klagte niemals und erwarb sich so den Respekt Shimrods, der nach anfänglicher Skepsis die tatsächliche Existenz des Bannfluches allmählich zu akzeptieren begann. Eines Tages trat Dhrun in einen Dorn, der tief in seinen Fuß drang. Während Shimrod ihn entfernte, saß Dhrun still da und biß sich auf die Lippe, was Shimrod so rührte, daß er den Jungen in den Arm nahm und ihm zärtlich über den Kopf strich. »Du bist ein tapferer Kerl. Irgendwie werden wir diesen Bann schon brechen. Schlimmstenfalls kann er ja nur sieben Jahre dauern.«
Wie immer überlegte Dhrun erst einen Augenblick, bevor er antwortete. »Ein Dorn ist nur eine Kleinigkeit. Wißt Ihr, welches Unglück ich fürchte? Daß Ihr unser überdrüssig werdet und uns aus dem Wagen werft.«
Shimrod lachte und spürte, wie ihm die Augen feucht wurden. Er drückte Dhrun erneut an sich. »Solange es nach mir geht, wird das nicht geschehen, das verspreche ich dir. Ich käme ohne euch gar nicht mehr zurecht.«
»Dennoch, Pech ist Pech.«
»Das ist wahr. Niemand weiß, was die Zukunft bringt.«
Fast unmittelbar darauf stob ein glühender Span aus dem Feuer und landete auf Dhruns Knöchel.
»Autsch!« rief Dhrun. »Schon wieder Pech.«
Jeder Tag brachte neue Erlebnisse.
Auf dem Jahrmarkt von Playmont veranstaltete Herzog Jocelyn von Burg Foire ein prachtvolles Ritterspiel, Turnier genannt, auf welchem gepanzerte Reiter im edlen Wettstreit gegeneinander antraten. Auf feurigen Rossen und in voller Prunkrüstung sprengten sie mit stumpfen, an der Spitze zusätzlich abgepolsterten Lanzen gegeneinander an, bemüht, den Gegner aus dem Sattel zu heben.
Von Playmont zogen sie weiter nach Long Danns, dicht am Rande des Waldes von Tantrevalles entlang. Als sie um die Mittagszeit ankamen, war der Markt bereits in vollem Gange. Shimrod spannte seine wunderbaren zweiköpfigen Pferde aus, gab ihnen Futter, klappte die Seitenwand des Wagens herunter, die gleichzeitig als Plattform diente und hängte ein Schild auf:
DR. FIDELIUS
THAUMATURGE, PAN-SOPHIST, QUACKSALBER
Linderung von Brand, Bauchgrimmen und Krämpfen
SPEZIALBEHANDLUNG GEGEN SCHLIMME KNIE
Fachmännische Beratung: frei
Alsdann zog er sich in den Wagen zurück, sein schwarzes Gewand anzulegen und seinen Schwarzkünstlerhut aufzusetzen.
Zu beiden Seiten der Plattform schlugen nun Glyneth und Dhrun die Trommel. Sie waren identisch gekleidet – als Pagen, mit weißen Halbschuhen, blauen Strümpfen und Pantalons und blau-schwarz quergestreiften Wämsern, auf deren schwarze Streifen weiße Herzen gestickt waren. Dazu trugen sie Kappen aus schwarzem Samt.
Dr. Fidelius trat hinaus auf die Plattform. »Meine Damen und Herren!« rief er den Schaulustigen zu. Er deutete auf sein Schild. »Ihr werdet bemerken, daß ich mich als ›Quacksalber‹ bezeichne. Der Grund dafür ist schlicht. Wer wird einen Schmetterling flatterhaft nennen? Wer eine Kuh träge schimpfen? Wer wird einen, der sich selbst als Quacksalber bezeichnet, der Betrügerei zeihen? Bin ich also nun tatsächlich ein Quacksalber, Schwindler und Scharlatan?«
Glyneth sprang herbei und stellte sich neben ihn.
»Fällt darob euer eigenes Urteil. Richtet nun eure Aufmerksamkeit auf meine hübsche Assistentin hier
– falls ihr das nicht schon getan habt. Glyneth, mach deinen Mund weit auf. Meine Damen und Herren, seht diese Öffnung! Dies sind Zähne, dies ist eine Zunge, dahinter seht ihr die Mundhöhle in ihrem natürlichen Zustand. Schaut nun her, wie ich in diesen Mund eine Orange stecke, weder übermäßig groß noch zu klein, sondern von normalem Maß und Gewicht. Glyneth, nun schließe bitte deinen Mund, wenn du so freundlich bist und wenn du kannst ... Ausgezeichnet. Nun, meine Damen und Herren, schaut genau auf die Wangen des Mädchens, sie sind dick und aufgebläht. Nun klopfe ich einmal auf die linke Wange und einmal auf die rechte, und, schwuppdiwupp – die Wangen sind wieder wie vorher! Glyneth, was hast du mit der Orange gemacht?Etwas Außergewöhnliches muß passiert sein! Öffne den Mund, wir sind verblüfft!«
Gehorsam öffnete Glyneth den Mund, und Dr. Fidelius schaute hinein. Er rief überrascht:
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