Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
ich werde ihn nicht herausgeben, ehe Ihr nicht meinen Wünschen willfahrt.«
»Das werden wir ja sehen!« Der junge Mann packte Glyneth, und sie balgten, bis die Pferde schnaubend hochstiegen und mit gebleckten Zähnen nach dem jungen Mann ausschlugen, worauf dieser angsterfüllt zurückwich.
Shimrod sprang vom Wagen, und der junge Mann schrie wütend: »Euer Mädchen dort ist verrückt! Erst reißt sie mir meine Kappe vom Kopf und rennt damit weg, und als ich sie höflich bitte, sie mir zurückzugeben, sagt sie nein und heißt mich Rhodion oder so ähnlich. Mein Name ist Tibbalt. Ich bin Kerzenzieher im Dorf Witterholz, und ich bin zum Markt gekommen, um Wachs zu kaufen. Und kaum bin ich da, schon schnappt mir so eine verrückte Range den Hut vom Kopf und fordert dann auch noch von mir, ihr gehorsam zu sein! Habt Ihr dergleichen schon einmal gehört?«
Shimrod schüttelte ernst den Kopf. »Sie ist kein schlechtes Mädchen, bloß ein wenig ungestüm und stets zu Streichen aufgelegt.« Er trat einen Schritt vor. »Wenn Ihr gestattet, mein Herr.« Er strich Tibbalts braunes Haar zur Seite. »Glyneth, schau einmal genau her! Die Ohrläppchen dieses Herrn sind wohl ausgebildet.«
Glyneth nickte. »Das ist richtig.«
»Was hat das mit meiner Kappe zu tun?« begehrte Tibbalt zu wissen.
»Wenn Ihr mir noch einmal gestattet, Herr.« Shimrod nahm Tibbalts Hand. »Sieh dir die Fingernägel an, Glyneth. Keine Spur von Schwimmhäuten zwischen den Fingern, und die Nägel sind nicht im geringsten trübe.«
Wieder nickte Glyneth. »Ich sehe es. Ich darf ihm also seine Kappe wiedergeben?«
»Gewiß doch, zumal dieser Herr auch nach Lorbeeren und Bienenwachs riecht.«
Glyneth gab dem Mann seine Kappe zurück. »Herr, bitte verzeiht mir meinen Streich.«
Shimrod gab Tibbalt einen tönernen Krug: »Darf ich Euch mit den besten Empfehlungen diesen Krug Haarpomade überreichen? Sie verleiht Brauen, Bart und Haupthaar seidigen Schimmer und fördert ihren kräftigen Wuchs.«
Tibbalt zog gut gelaunt von dannen. Glyneth ging zurück zu ihrem Tisch vor dem Wagen und berichtete Dhrun von ihrem Mißgeschick. Der zuckte bloß die Achseln und begann wieder mit seinem Spiel. Glyneth holte wieder ihre Katzen hervor, die zum Vergnügen und zur Verblüffung der Zuschauer mit großem Eifer auf der Tischplatte tanzten und tollten. »Wunderbar, wunderbar!« rief schwärmerisch ein wohlgesetzter kleiner Herr mit dünnen Beinen, zierlichen Fesseln und langen, schmalen Füßen, die in grünen, an der Spitze geckenhaft nach oben gebogenen Lederschuhen steckten. »Junger Bursche, wo hast du das Flötenspiel gelernt?«
»'s ist ein Geschenk der Elfen, Herr.«
»Wie wunderbar! Ein wahrhaft zauberhaftes Geschenk!«
Ein plötzlicher Windstoß wehte dem Herrn den grünen Hut vom Kopf. Er landete Glyneth direkt vor den Füßen. Als sie ihn aufhob, bemerkte sie die rote Feder. Forschend musterte sie den Herrn, der ihr lächelnd die Hand entgegenstreckte. »Vielen Dank, mein hübsches Kind. Ich werde dich mit einem Kuß belohnen.«
Glyneth schaute auf die Hand. Sie war bleich und dicklich, mit kleinen, zierlichen Fingern. Die sorgfältig geschnittenen Nägel wiesen einen milchig-rosigen Schimmer auf. War das die den Elfen eigene Trübung? Und diese Hautlappen zwischen den Fingern?
Waren das Schwimmhäute? Glyneth ließ langsam den Blick nach oben gleiten, bis er den des Mannes traf. Seine Augen waren bisterbraun. Schütteres, rotbraunes Haar lockte sich über seinen Ohren. Ein Windstoß blies das Haar zur Seite. Gebannt starrte Glyneth auf seine Ohren. Sie waren klein, kaum mehr denn kleine, rosafarbene, fleischige Grübchen. Die Ohrenspitzen konnte sie nicht sehen.
Der Herr stampfte mit dem Fuß auf. »Meinen Hut, wenn ich bitten darf!«
»Einen Moment, Herr! Ich will nur rasch den Staub abbürsten!« Sie steckte Schniefchen und Schnurrgel hastig in den Korb zurück und rannte mit dem Hut davon.
Mit bemerkenswerter Behendigkeit sprang der Herr ihr nach, verstellte ihr mit einem blitzschnellen Satz den Weg und drängte sie gegen die Wagen-wand, wo sie von den Marktbesuchern nicht gesehen werden konnten. »Und nun, mein Fräulein, heraus mit meinem Hut, und dann sollst du deinen Kuß haben.«
»Ihr bekommt Euren Hut erst, wenn Ihr mir meine Wünsche erfüllt.«
»Häh? Was für ein Unsinn ist das nun wieder? Warum sollte ich dir deine Wünsche erfüllen?«
»Weil, Eure Majestät, ich Euren Hut halte.«
Der Herr schaute sie forschend an. »Was
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