Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse

Titel: Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
Vom Netzwerk:
ging auf die Terrasse hinaus und ließ sich in einen Polsterstuhl sinken. Versonnen schaute er auf das Meer. Die Luft war mild, wolkenlos der Himmel. Das rhythmische, eintönige Rauschen der sanft den Strand hinaufbrandenden Dünung machte ihn schläfrig. Seine Lider wurden schwer, er schlief ein.
    Als er aufwachte, hatte sich die Sonne ein Stückchen weiter auf den Horizont zubewegt. Melancthe stand gegen die Balustrade gelehnt. Sie trug ein ärmelloses Gewand aus weicher weißer Faniche. 27 Sie hatte ihm den Rücken zugewandt.
    Carfilhiot richtete sich in seinem Stuhl auf, aus unbestimmten Gründen beunruhigt. Melancthe drehte sich kurz zu ihm um und schaute ihn an, richtete dann jedoch ihren Blick nie wieder auf das Meer.
    Carfilhiot beobachtete sie unter halbgeschlossenen Lidern. Ihre Gelassenheit – so ging ihm durch den Sinn – konnte einem an der Geduld nagen ... Melancthe musterte ihn über die Schulter. Ihre Mundwinkel waren heruntergezogen. Offenbar hatte sie ihm nichts zu sagen, weder ein Willkommen noch ein Wort des Erstaunens, darüber daß er allein gekommen war, noch eine Frage nach seinem Befinden.
    Carfilhiot entschloß sich, das Schweigen zu brechen. »Das Leben hier in Ys scheint recht ruhig.«
    »Ausreichend.«
    »Ich habe einen gefährlichen Tag hinter mir. Ich entging nur mit knapper Not dem Tod.«
    »Du mußt in Schrecken versetzt worden sein.«
    Carfilhiot dachte nach. »›Schrecken‹? Das ist nicht ganz das rechte Wort. Ich würde eher sagen, beunruhigt. Es bekümmert mich, meine Truppen zu verlieren.«
    »Ich habe Gerüchte über deine Krieger gehört.«
    Carfilhiot lächelte. »Was willst du? Das Land ist in Unruhe. Jeder widersetzt sich der Obrigkeit. Würdest du nicht ein Land vorziehen, in dem Frieden
    herrscht?«
    »Als abstrakte Idee, ja.«
    »Ich brauche deine Hilfe.«
    Melancthe lachte überrascht. »Die wirst du nicht bekommen. Ich habe dir einmal geholfen, zu meinem Bedauern.«
    »Wirklich? Meine Dankbarkeit sollte alle deine Zweifel besänftigt haben. Schließlich sind du und ich eins.«
    Melancthe drehte sich um und blickte hinaus auf das weite blaue Meer. »Ich bin ich, und du bist du.«
    »Du wirst mir also nicht helfen.«
     
    »Ich werde dir Rat geben, wenn du dich bereit erklärst, danach zu handeln.«
    »Zumindest werde ich zuhören.«
    »Ändere dich vollkommen.«
    Carfilhiot machte eine höfliche Geste. »Das ist, als wolltest du sagen: ›Kehre dein Inneres nach außenund dein Äußeres nach innen‹.«
    »Ich weiß.« Die zwei Worte hatten einen unheilverkündenden Klang.
    Carfilhiot verzog das Gesicht. »Haßt du mich wirklich so?«
    Melancthe musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Ich mache mir oft Gedanken über meine Gefühle. Du fesselst die Aufmerksamkeit, man kann dich nicht ignorieren. Vielleicht ist es eine Art Narzißmus. Wäre ich ein Mann, vielleicht wäre ich wie du.«
    »Gewiß. Wir sind eins.«
    Melancthe schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht befleckt. Du atmetest den grünen Rauch ein.«
    »Aber du schmecktest ihn.«
    »Ich spie ihn wieder aus.«
    »Dennoch, du kennst seinen Geschmack.«
    »Und deshalb blicke ich tief in deine Seele.«
    »Augenscheinlich ohne Bewunderung.«
    Wieder wandte Melancthe sich ab und schaute über das Meer. Carfilhiot trat neben sie an die Balustrade. »Bedeutet es nichts, daß ich in Gefahr bin? Die Hälfte meiner Elite-Abteilung ist gefallen. Ich habe kein Vertrauen mehr in meine Magie.«
    »Du besitzt keine Magie.«
    Carfilhiot ignorierte den Einwand. »Meine Feinde haben sich verbündet und planen schreckliche Taten gegen mich. Sie hätten mich heute töten können, statt dessen versuchten sie, mich lebend zu fassen.«
    »Konsultiere deinen Liebling Tamurello. Vielleicht fürchtet er um seinen Geliebten.«
    Carfilhiot lachte traurig. »Ich bin mir nicht einmal Tamurellos sicher. Was seine Freigebigkeit betrifft, ist er jedenfalls sehr zurückhaltend, ja fast widerwillig.«
    »Dann suche dir einen verschwenderischeren Geliebten. Wie wäre es mit König Casmir?«
    »Wir haben nur wenige gemeinsame Interessen.«
    »Dann scheint doch Tamurello deine größte Hoffnung zu sein.«
    Carfilhiot schaute sie von der Seite an und betrachtete forschend die delikaten Linien ihres Profils. »Hat Tamurello dir niemals den Hof gemacht?«
    »Doch. Aber mein Preis war zu hoch.«
    »Was war dein Preis?«
    »Sein Leben.«
    »Das ist unmäßig. Welchen Preis würdest du von mir fordern?«
    Melancthes Augenbrauen hoben sich, ihr Mund verzog sich.

Weitere Kostenlose Bücher