Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
»Du würdest einen beträchtlichen Preis
bezahlen.«
»Mein Leben?«
»Das Thema entbehrt jeder Relevanz, und es langweilt mich.« Sie wandte sich zum Gehen. »Ich gehe ins Haus.«
»Und was wird mit mir?«
»Tu, was dir gefällt. Schlafe in der Sonne, so dir der Sinn danach steht. Oder reite zurück nach Tintzin Fyral.«
Vorwurfsvoll erwiderte Carfilhiot: »Für eine, die mir näher steht als eine Schwester, verhältst du dich wahrlich bissig.«
»Im Gegenteil, ich bin absolut objektiv.«
»Nun gut, wenn ich tun kann, was mir gefällt, dann betrachte ich mich als deinen Gast.«
Die Lippen nachdenklich geschürzt, schritt Melancthe in das Innere des Palastes, gefolgt von Carfilhiot. Sie hielt im Foyer, einem runden Raum in Blau, Rosa und Gold, dessen Marmorboden ein hellblauer Teppich zierte. Sie rief den Kammerdiener. »Gebt Sir Faude ein Zimmer, und sorgt für sein Wohl.«
Carfilhiot badete und ruhte sich eine Weile aus. Dämmerung senkte sich über den Ozean. Der Tag verblich.
Carfilhiot kleidete sich ganz in Schwarz. Im Foyer erschien der Kammerdiener. »Lady Melancthe ist noch nicht da. Wenn Ihr möchtet, könnt Ihr im kleinen Salon auf sie warten.«
Carfilhiot setzte sich. Der Kammerdiener servierte ihm einen Kelch karmesinroten Weines, der nach Honig, Fichtennadel und Granatapfel schmeckte.
Eine halbe Stunde verging. Das silberhäutige Dienstmädchen brachte ein Tablett mit Zuckerwerk, von dem Carfilhiot ohne Begeisterung kostete.
Zehn Minuten später schaute er von seinem Wein auf und sah Melancthe vor sich stehen. Sie trug ein ärmelloses schwarzes Kleid von schlichtestem Schnitt. Ein schwarzer Opal-Cabochon hing an einem schmalen schwarzen Band um ihren Hals. Ihre blasse Haut und ihre großen Augen, die durch das Schwarz noch hervorgehoben wurden, verliehen ihr den Anschein von Verwundbarkeit und Empfindlichkeit, gegen Schmerz wie gegen Freude: eine Verletzbarkeit, die das Verlangen erweckte, ihr eines von beiden oder beides zuzufügen.
Nach einer Weile setzte sie sich neben Carfilhiot und nahm einen Kelch Wein vom Tablett. Carfilhiot wartete, aber sie schwieg. Schließlich fragte er: »Hast du einen geruhsamen Nachmittag verbracht?«
»Geruhsam war er gewiß nicht. Ich habe an gewissen Aufgaben gearbeitet.«
»Tatsächlich! Zu welchem Zweck?«
»Es ist nicht leicht, Magier zu werden.«
»Ist das dein Wille?«
»Gewiß.«
»Es ist also nicht allzu schwierig?«
»Ich bin erst bis zum Rande der Materie vorgedrungen. Die wirklichen Schwierigkeiten liegen noch vor mir.«
»Doch schon bist du stärker als ich.« Carfilhiot ließ seine Stimme scherzhaft klingen. Melancthe indes lächelte nicht.
Nach langem, drückendem Schweigen stand sie auf. »Es ist Zeit zum Diner.«
Sie führte ihn in einen großen Raum, dessen Wände in schwärzestem Ebenholz getäfelt waren. Der Fußboden war mit Platten von blankpoliertem schwarzem Gabbro ausgelegt. Ein Gefüge aus Glasprismen über der Ebenholztäfelung verlieh dem Raum Licht.
Das Diner wurde auf zwei Platten serviert: ein schlichtes Mahl, bestehend aus in Weißwein gegarten Muscheln, Brot, Oliven und Nüssen. Melancthe aß wenig, und abgesehen von einem gelegentlichen flüchtigen Blick schenkte sie Carfilhiot keine Beachtung und unternahm auch keinen Versuch, ein Gespräch mit ihm anzufangen. Da auch Carfilhiot aus Verärgerung den Mund hielt, verlief die Mahlzeit in Schweigen. Carfilhiot leerte mehrere Kelche Wein, und schließlich stellte er den Kelch mit gereizter Heftigkeit auf den Tisch zurück.
»Du bist schöner als ein Traum! Doch deine Gedanken sind die eines Fisches!«
»Du übertreibst.«
»Warum sollen wir uns Zwang auferlegen? Sind wir nicht schließlich und endlich eins?«
»Nein. Desmëi brachte drei hervor: mich, dich und Denking.«
»Aber du hast es selbst gesagt!«
Melancthe schüttelte den Kopf. »Jeder hat Teil an der Materie der Erde. Aber der Löwe unterscheidet sich von der Maus, und beide unterscheiden sich wiederum vom Menschen.«
Carfilhiot wies die Analogie mit einer Geste zurück. »Wir sind eins und doch verschieden! Ein faszinierender Zustand! Doch du übst dich in Zurückhaltung!«
»Fürwahr«, erwiderte Melancthe. »Da stimme ich dir zu.«
»Male dir doch nur für einen Augenblick die Möglichkeiten aus! Die Gipfel der Leidenschaft! DenÜberschwang der Sinne! Spürst du nicht die Erregung?«
»Spüren? Genug, daß ich daran denke.« Eine Moment lang schien es, als würde ihre Beherrschtheit ins Wanken
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