Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
inganzHaidion.Einspiegelblankgewienerter Parkettboden aus Birkenholz reflektierte das Licht, das durch die drei mit perlgrauem Satin drapierten Fenster hereinflutete.Die vordenWänden aufgestellten Möbel waren in blassem Grau und leuchtendem Scharlachrot gepolstert. Und Kammerfrau Laletta achtete darauf, daß auf den Tischen stets frische Blumen zu finden waren. Die Schüler waren acht Knaben und acht Mädchen von Stand, zwischen acht und zwölf Jahren alt. Suldrun empfand sie als eine bunt gemischte Gruppe: Manche waren angenehm, andere waren langweilig und geistlos. Frau Laletta, eine schlanke, dunkeläugige junge Frau von adliger Abkunft, aber mit geringen Heiratschancen, war eine tüchtige Lehrerin, die niemanden bevorzugte. Suldrun fand sie weder sympathisch noch unsympathisch.
An jenem Morgen war Frau Laletta unpäßlich und konnte nicht unterrichten. Als Suldrun in ihre Gemächer zurückkehrte, ertappte sie Dame Maugelin, wie sie nackt auf ihrem, Suldruns, Bett lag, über sich einen kräftigen jungen Lakaien namens Lopus.
Suldrun schaute in bestürzter Faszination zu, bis Dame Maugelin ihrer ansichtig wurde und einen entsetzten Schrei ausstieß.
»Widerlich!« stieß Suldrun hervor. »Und in meinem Bett!«
Lopus stieg mit blödem Gesicht von Dame Maugelin herunter, kletterte in seine Hosen und schlich hinaus. Dame Maugelin zog sich nicht weniger hastig an. Währenddessen bemühte sie sich angestrengt, die Peinlichkeit der Situation mit jovialem Geplapper zu überspielen. »Schon so rasch vom Tanzen zurück, mein liebes Prinzeßchen? Na, war es denn eine schöne Tanzstunde? Was du da gerade gesehen hast, war nichts von Bedeutung, nur ein bißchen Spielerei. Trotzdem wäre es besser, wenn niemand was davon erführe ...«
Suldrun unterbrach sie mit ärgerlicher Stimme: »Ihr habt mein Bett besudelt!«
»Nun, eh, mein liebes Prinzeßchen ...«
»Nehmt alles Bettzeug heraus – nein, erst geht Ihr Euch waschen, dann bringt Ihr frisches Bettzeug her und lüftet den Raum gut durch!«
»Jawohl, liebe Prinzessin.« Dame Maugelin beeilte sich, den Befehlen nachzukommen, und Suldrun hüpfte jauchzend und in bester Stimmung die Treppe wieder hinunter. Von nun an brauchte sie Dame Maugelins Tadel nicht mehr zu fürchten. Sie konnte tun, was ihr gefiel.
Suldrun lief die Arkade hinauf, vergewisserte sich mit einem raschen Blick, daß niemand auf dem Urquial war, der sie beobachtete, dann huschte sie in den Schatten der alten Lärche und stieß das knarrende alte Tor auf. Sie zwängte sich durch den Spalt, schloß das Tor hinter sich und stieg, vorbei an dem kleinen Tempel, den gewundenen Pfad hinunter zum Garten.
Der Tag war hell und sonnig. Die Luft roch süß nach Sonnenblumen und frischem grünem Laub.
Suldrun ließ ihren Blick zufrieden über den Garten schweifen. Sie hatte alles ausgerupft, was sie für Unkraut hielt, einschließlich aller Nesseln und fast aller Disteln. Der Garten war jetzt fast wohlgeordnet. Sie hatte das Laub und den Schmutz vom Marmorboden der alten Villa gekehrt und das Bett eines kleinen Baches, der von einer Seite der Schlucht herunterfloß, vom Geröll befreit. Es gab noch immer reichlich zu tun, aber nicht heute.
Im Schatten einer Säule stehend, öffnete sie die Schnalle an ihrer Schulter, ließ ihr Kleid zu den Fuß-knöcheln hinabfallen und trat nackt daraus hervor. Das Sonnenlicht kribbelte auf ihrer Haut; die kühle Luft schuf dazu einen köstlichen Kontrast von Empfindungen.
Sie ging langsam durch den Garten. So mußte sich eine Dryade fühlen, dachte sie. Genauso mußte sie sich bewegen, genauso lautlos, der einzige Laut das Seufzen des Windes in den Blättern.
Sie blieb im Schatten der allein stehenden alten Linde stehen, dann ging sie weiter hinunter zum Strand, um zu sehen, was die Wellen angespült hatten. Wenn der Wind aus Südwest blies, was oft der Fall war, brauste die Strömung um das Vorgebirge herum und leckte in ihre kleine Bucht, allerlei Strandgut mit sich führend, das sie, sobald die nächste Flut kam, wieder mit sich ins Meer trug. Heute jedoch war der Strand sauber. Suldrun schritt den Saum der Brandung ab, den Blick auf die glitzernden Zungen geheftet, die im groben Sand des Strandes versickerten. Sie blieb stehen und spähte zu dem Felsblock unterhalb der Spitze des Vorgebirges hinüber, auf dem sie einmal zwei junge Wassernixen entdeckt hatte. Auch sie hatten sie gesehen und ihr etwas zugerufen, aber sie hatten sich einer fremden, gedehnt klingenden
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