Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
Sprache bedient, die Suldrun nicht verstand. Ihr olivgrünes Haar hatte ihnen in Strähnen über die blassen Schultern gehangen, ihre Lippen und Brustwarzen waren ebenfalls von einem blassen Grün gewesen. Eine hatte gewunken, und Suldrun hatte die Häute zwischen ihren Fingern gesehen. Dann hatten sie sich umgewandt und aufs Wasser hinausgeblickt, wo ein bärtiger Wassermann mit dem Oberkörper aus den Wellen ragte. Er hatte ihnen in einer heiseren, brüchigen Stimme zugerufen. Daraufhin waren sie von dem Felsen geglitten und verschwunden.
Heute waren die Felsen leer. Suldrun machte kehrt und ging langsam hinauf in den Garten.
Sie zog ihr Kleid wieder an und ging zurück, die Schlucht hinauf. Ein rascher Blick durch den Türspalt, ob niemand sie beobachtete, dann rasch hindurch und – husch – die Arkade entlang, an der Orangerie vorbei und wieder hinein nach Haidion.
Ein Sommersturm vom Atlantik brachte Dauerregen nach Lyonesse. Suldrun war auf Haidion gefangen. Eines Nachmittags wanderte sie ins Ehrenhaus.
Haidion war still, die Burg schien den Atem anzuhalten. Suldrun wanderte langsam durch den Saal, untersuchte jeden der großen Stühle, so als wolle sie sie auf ihre Kraft abschätzen. Die Stühle betrachteten sie ihrerseits. Einige standen stolz und unnahbar, andere waren mißmutig. Manche waren dunkel und unheilvoll, andere gütig. Am Thron von König Casmir betrachtete Suldrun das dunkelrote Banner, das die Hinterkammer verbarg. Nichts auf der Welt würde sie dazu bringen, sich dort hineinzuwagen. Nicht, wenn dort Magie auf sie lauerte. Durch einen Schritt zur Seite entzog sie sich dem Bannkreis des Throns und fühlte sich wohler. Dort, keine zehn Fuß von ihrem Gesicht entfernt, hing das Banner. Natürlich würde sie es nicht wagen, sich der Kammer auch nur zu nähern, geschweige denn, sie zu betreten ... Andererseits ... ein kleiner Blick würde sicherlich nicht schaden.
Auf leisen Sohlen schlich sie zu dem Vorhang und schob ihn vorsichtig zur Seite. Das Licht von den hohen Fenstern fiel über ihre Schulter auf die gegenüber liegende Steinwand. Da, in einem Spalt, der Eisenstab. Dort: die beiden Schlüssellöcher. Und dahinter der Raum, den nur König Casmir betreten durfte ... Suldrun ließ den Vorhang wieder zurückgleiten. Dann drehte sie sich um und verließ behutsam das Ehrenhaus.
Die Beziehungen zwischen Lyonesse und Troicinet, die niemals freundlich gewesen waren, hatten sich angespannt. Und dies aus einer Reihe von Gründen, die nach und nach dazu geführt hatten, daß ein Klima der Feindseligkeit entstanden war. Die ehrgeizigen Pläne König Casmirs schlossen weder Troicinet noch Dascinet aus, und seine Spione durchdrangen alle Ebenen der troicischen Gesellschaft.
König Casmir war in seinen Plänen durch das Fehlen einer Seestreitmacht beeinträchtigt. Trotz seiner langen Küsten mangelte es Lyonesse an leichtem Zugang zum Meer. Geschützte Häfen gab es nur in Slute Skeme, Bulmer Skeme, der Stadt Lyonesse und dem jenseits vom Kap des Wiedersehens gelegenen Pargetta. Die troicische Küste, die Gegenstand seiner Gelüste war, besaß Dutzende geschützter Häfen, allesamt mit Kaianlagen, Werften und Straßen. Dazu gab es eine Fülle sowohl an geschickten Schiffsbauern als auch an gutem Holz aller Art: Zürgelbaum und Lärche als Knieholz, Eiche für die Spanten, junge, bolzengrade Fichte für die Masten und feste, harzige Kiefer für die Planken. Troicische Kauffahrteischiffe segelten bis hinauf nach Jütland, Britannien und Irland und nach Süden den Atlantik hinunter bis nach Mauretanien und zum Königreich der Blauen Menschen und von dort weiter nach Osten, vorbei an Tingis, bis ins Mittelländische Meer.
König Casmir betrachtete sich als einen Meister der Intrige und suchte unablässig nach einem Vorteil, und sei er noch so gering, den er vielleicht für sich ausnutzen konnte. Einmal lief eine schwerbeladene troicische Kogge, die sich in dichtem Nebel entlang der Küste von Dascinet entlangtastete, auf eine Sandbank. Yvar Excelsus, der für seinen Jähzorn berüchtigte König von Dascinet, erhob unter Berufung auf das Seerecht unverzüglich Anspruch auf das Schiff und seine Fracht und sandte Leichter aus, die das Schiff entladen sollten. Da kreuzten zwei troicische Kriegsschiffe auf, vertrieben das mittlerweile zu einer kleinen Flotille angewachsene Prisenkommando dascischer Halbpiraten und schleppten bei einsetzender Flut die Kogge wieder frei.
Daraufhin schickte König Yvar
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