Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
wenig herumzutollen. Über ihrem kargen Abendessen sitzend, unterhielten sich Glyneth und Dhrun mit gedämpfter Stimme. Carfilhiot beobachtete sie über das Feuer aus halbgeschlossenen Augen, sagte aber nichts. Glyneth empfand wachsendes Unbehagen angesichts der Art und Weise, in der Carfilhiot sie beobachtete. Schließlich, als die Dämmerung den Himmel verdunkelte, rief sie ihre Katzen und steckte sie zurück in ihren Korb. Carfilhiot saß scheinbar träge und passiv vor dem Feuer und betrachtete ihre schlanken und doch unerwartet schwellenden Konturen, ließ sich fesseln von dem unbefangenen Liebreiz und den anmutig eleganten kleinen Schnörkeln und Gesten, die Glyneth so einzigartig und bezaubernd machten.
Glyneth spülte den Topf aus und verstaute ihn zusammen mit dem Dreibein im Spind des Wagens. Carfilhiot stand auf und reckte sich. Besorgt verfolgte Glyneth, wie er zum Heck des Wagens ging, hineingriff und ein Strohbett hervorholte, das er neben dem Feuer ausbreitete.
Glyneth flüsterte Dhrun etwas ins Ohr, dann gingen sie gemeinsam zum Wagen.
Carfilhiot folgte ihnen. »Wohin wollt ihr?«
»Ins Bett«, antwortete Glyneth. »Wohin sonst?«
Carfilhiot griff Dhrun und hob ihn in den Wagen. Dann verriegelte er die Tür. »Heute nacht«, eröffnete er Glyneth, »werden wir beide zusammen beim Feuer schlafen, und morgen wirst du über vieles nachzudenken haben.«
Glyneth versuchte hinter den Wagen zu laufen, aber Carfilhiot hielt sie am Arm fest. »Spar deine Kräfte«, sagte er zu ihr. »Du wirst dich rascher, als du glaubst, ermattet fühlen, aber dann wirst du nicht mehr aufhören wollen.«
Drinnen im Wagen nahm Dhrun seine Flöte und hub an zu spielen, erfüllt und angefacht von leidenschaftlicher Wut und einem Gefühl von ohnmächtigem Schmerz über das, was Glyneth widerfuhr. Die goldenen Bienen, die sich gerade zur Nachtruhe anschickten und nur mehr durch ein behagliches Summen an ihre Anwesenheit erinnerten, schwirrten verärgert auf, was Dhrun jedoch nur um so feuriger blasen ließ.
Carfilhiot sprang auf und schritt zum Wagen. »Hör sofort mit dem Gepiepse auf! Es zerfetzt mir die Nerven!«
Dhrun spielte jetzt mit noch wilderer Inbrunst, so daß es ihn fast vom Stuhle hob. Die goldenen Bienen schossen kreuz und quer hin und her, schlugen verzweifelte Kapriolen und schwirrten schließlich in ihrer Not aus seinen Augen. Dhrun legte jetzt all seine Kraft in sein Spiel.
Carfilhiot kam an die Tür. »Ich komme jetzt herein. Ich zerbreche deine Flöte und verabreiche dir solche Prügel, daß du vorerst keinen Laut mehr von dir gibst!«
Dhrun spielte weiter. Das Flöten erregte die Bienen so sehr, daß sie wie wild im Wagen hin und her schwirrten, verzweifelt einen Fluchtweg suchend.
Carfilhiot zog den Riegel hoch. Dhrun legte die Flöte nieder und sprach: »Dassenach, in meine Hand!«
Carfilhiot riß die Tür auf. Die Bienen schwärmten hinaus, geradewegs in sein Gesicht. Er fuhr zurück und rettete so sein Leben: Die herabsausende Klinge pfiff knapp an seinem Hals vorbei. Er stieß erschrokken einen Fluch aus, dann packte er das Schwert, entwand es Dhruns Griff und warf es ins Gebüsch. Dhrun trat nach seinem Gesicht. Carfilhiot bekam den Fuß zu packen und riß ihn hoch, so daß Dhrun das Gleichgewicht verlor und in den Wagen zurücktaumelte.
»Jetzt ist Schluß mit dem Lärm!« keuchte Carfilhiot. »Wenn du noch einmal klopfst oder flötest, dann schlage ich dich tot!«
Er schlug die Tür zu und drückte den Riegel herunter. Als er sich umwandte, sah er, wie Glyneth eine riesige alte Eiche hinaufklettetre. Er rannte über die Lichtung, aber sie war bereits außerhalb seiner Reichweite. Er schwang sich hinauf und kletterte ihr nach, doch sie stieg immer höher und kroch schließlich weit hinaus ans Ende eines langen Astes, der so bedrohlich unter ihrem Gewicht nachgab, daß ihr Carfilhiot nicht zu folgen wagte.
Er begann ihr zuzureden, erst schmeichelnd, dann flehend, dann drohend, aber sie gab keine Antwort und blieb ruhig im Laubwerk sitzen. Carfilhiot versuchte es mit einer letzten Drohung, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ, dann stieg er wieder von dem Baum herunter. Hätte er eine Axt zur Hand gehabt, er hätte in seiner Wut den Ast, auf dem sie saß, oder gleich den ganzen Baum abgehackt und sie sich zu Tode stürzen lassen.
Die ganze Nacht lang kauerte Glyneth steif, müde und verzweifelt in dem Baum. Carfilhiot lag auf dem Strohbett neben dem Feuer. Er schien zu
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