Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
besetzten. Nach monatelangem Zaudern führte König Uther sein Heer gegen die Godelianer – und in eine vernichtende Niederlage in der Schlacht von Wanwillow, in welcher auch er selbst den Tod fand. Sein Sohn, Uther II., floh nach Norden, nach England, wo er nach gehöriger Zeit Uther Pendragon zeugte, den Vater König Arthurs von Cornwall.
Die Herzöge der Älteren Inseln versammelten sich daraufhin in Avallon, einen neuen König zu küren. Herzog Phristan von Lyonesse erhob Anspruch auf die Königswürde kraft seiner Abstammung, während der alternde Herzog Audry von Dahaut den Thron Evandig und den Tisch Cairbra an Meadhan zur Untermauerung seines Anspruchs in die Waagschale warf. Das Konklave ging in Bitterkeit auseinander. Die Herzöge reisten heim, und jeder ernannte sich zum König seines eigenen Herrschaftsbereiches.
Anstelle von einem gab es nun zehn Königtümer: Nord-Ulfland, Süd-Ulfland, Dahaut, Caduz, Blaloc, Pomperol, Godelia, Troicinet, Dascinet und Lyonesse.
Die neuen Königreiche fanden genügend Anlaß zum Hader. König Phristan von Lyonesse und sein Verbündeter, König Joel von Caduz, zogen gegen Dahaut und Pomperol ins Feld. In der Schlacht vom Orm-Hügel tötete Phristan den alten, aber tapferen Audry I. und wurde selbst von einem Pfeil tödlich verletzt. Die Schlacht – und mit ihr der Krieg – endete unentschieden und lud beide Seiten mit Haß gegen den anderen.
Prinz Casmir, allenthalben »der Geck« genannt, focht brav in jener Schlacht, doch ohne Tollkühnheit und kehrte als König heim nach Lyonesse. Sofort legte er sein geckenhaftes Gehabe zugunsten eines harten Pragmatismus ab und wandte sich der Aufgabe zu, sein Reich zu festigen.
Ein Jahr nachdem Casmir König geworden war, heiratete er Prinzessin Sollace von Aquitanien, ein hübsches blondes Mädchen mit gotischem Blut in den Adern, hinter deren würdevollem Gebaren sich ein phlegmatisches Temperament verbarg.
Casmir betrachtete sich als Patron der magischen Künste. In einer geheimen Kammer bewahrte er eine Anzahl Kuriositäten und magischer Gegenstände auf, einschließlich eines Buches mit Zaubersprüchen, abgefaßt in einer unentzifferbaren Schrift, die jedoch in der Dunkelheit leuchtete. Wenn Casmir seinen Finger über die Runen gleiten ließ, durchflutete ihn ein seltsames Gefühl, das sich bei jedem Zauberspruch änderte. Eine solche Berührung vermochte er zu ertragen; eine zweite Berührung trieb ihm Schweiß auf die Stirn; eine dritte Berührung wagte er nicht, aus Furcht, die Kontrolle über sich zu verlieren. In einer Kiste aus Onyx ruhte die Klaue eines Greifs. Ein Gallenstein des Ogers Heulamides sonderte einen eigenartigen Geruch ab. In einer Flasche saß ein kleiner gelber Skak 16 und wartete schicksalsergeben auf seine Freilassung. An einer Wand hing ein Gegenstand von wirklicher Macht: Persilian, der »Magische Spiegel«. Seinem Besitzer beantwortete dieser Spiegel drei Fragen; waren diese gestellt, so mußte er ihn einem anderen überlassen. Sollte der Besitzer indes eine vierte Frage stellen, so würde der Spiegel sie mit Freude beantworten und sich dann, nunmehr von seinem Zauberbanne befreit, auflösen. Drei Fragen hatte König Casmir bereits gestellt; die vierte hatte er sich für den dringenden Notfall aufgespart.
Nach der landläufigen Auffassung brachte der Umgang mit Magiern mehr Fluch denn Segen. Obwohl Casmir sehr wohl von Murgens Edikten wußte, erbat er mitunter Hilfe von den Erzmagiern Baibalides und Noumique sowie verschiedenen anderen, geringeren Magiern, wobei er freilich stets eine Abfuhr erhielt.
Einmal wurde Casmir Kunde über die Zauberin Desmëi überbracht, welche in dem Rufe stand, die Feindin Murgens zu sein. Verläßlichen Meldungen nach hatte sie sich auf den Weg zum Goblinmarkt gemacht, einem alljährlich stattfindenden Ereignis, an dem sie großes Vergnügen fand und bei dem sie niemals fehlte.
Casmir tarnte sich mit blauem und eisengrauem Harnisch und einem Schild, auf welchem zwei aufgerichtete Drachen prangten. Er nannte sich Sir Perdrax, gab sich als fahrender Ritter aus und ritt mit kleinem Gefolge in den Wald von Tantrevalles.
Nach einiger Zeit erreichte er Twittens Kreuzweg. Der Gasthof, der unter dem Namen »Zur lachenden Sonne und zum weinenden Mond« bekannt war, war bis auf die letzte Kammer belegt. Casmir mußte sich mit einem Quartier in der Scheuer begnügen. Eine Viertelmeile waldeinwärts fand er den Goblinmarkt. Desmëi war nirgends zu sehen. Casmir
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