Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse

Titel: Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
Vom Netzwerk:
Wandel war über Desmëi gekommen. Casmir blieb stehen, verwirrt ob ihrer Blässe, ihrer hohlen Wangen und ihres ausgemergelten Halses. Ihre Finger, dünn und knotig an den Gelenken, hingen wie Haken über den Rand der Balustrade; ihre in silbernen Sandalen steckenden Füße waren lang und dürr und von einem Netz purpurfarbener Adern bedeckt.
    Casmir stand unbeholfen und mit offenem Mund da. Er hatte das Gefühl, mit einem Mysterium konfrontiert zu sein, das sein Begriffsvermögen weit überstieg.
    Desmëi schaute ihn von der Seite an, mit einem Blick, in dem weder Überraschung noch Freude lag. »Du bist also gekommen.«
    Casmir machte einen angestrengten Versuch, die Initiative wiederzuerringen, die, wie er meinte, bei ihm zu liegen habe. »Hast du mich nicht erwartet?«
    Desmëi erwiderte nur: »Du bist zu spät gekommen.«
    »Wieso?« rief Casmir, von neuer Sorge ergriffen.
    »Alles wandelt sich. Ich habe kein Interesse mehr an den Angelegenheiten der Menschen. Eure Raubzüge und Kriege sind ein Unglück, sie stören den Frieden des Landes.«
    »Aber es bedarf keines Krieges! Ich will nur Evandig! Gib mir magische Kräfte oder einen Tarnmantel, auf daß ich mir Evandig ohne Krieg holen kann.«
    Desmëi ließ ein leises, grimmiges Lachen ertönen. »Ich bin bekannt dafür, daß meine Dienste nicht wohlfeil sind. Würdest du meinen Preis bezahlen?«
    »Was ist dein Preis?«
    Desmëi blickte hinaus zum Horizont des Meeres. Schließlich sprach sie, so leise, daß Casmir einen Schritt näher kam, um sie verstehen zu können. »Höre! Dieses will ich dir sagen: Verheirate Suldrun gut. Ihr Sohn wird auf Evandig sitzen. Und was ist mein Preis für diese Prophezeiung? Nichts, denn das Wissen wird dir nichts nutzen.« Desmëi wandte sich abrupt ab und verschwand durch einen hohen Bogengang in den Schatten ihres Palastes. Casmir sah der dünnen Gestalt nach, bis sie verschwunden war. Er wartete einen Moment, im grellen Sonnenlicht verharrend. Nichts war zu hören außer dem Seufzen der Brandung.
    Casmir drehte sich um und kehrte auf sein Schiff zurück.
     
    Desmëi sah die Galeasse über das blaue Meer davonsegeln. Sie war allein in ihrem Palast. Drei Monate lang hatte sie auf Tamurellos Besuch gewartet. Er war nicht gekommen, und die Botschaft seines Fernbleibens war klar.
    Sie ging in ihr Arbeitszimmer, löste ihr Gewand und ließ es zu Boden gleiten. Sie betrachtete sich im Spiegel. Was sie sah, waren harte Gesichtszüge und ein knochiger, hagerer, fast männlicher Körper. Verfilztes schwarzes Haar hing wirr von ihrem Kopf, ihre Arme und Beine waren dürr und unansehnlich. Es war dies ihre natürliche Gestalt, ein Selbst, in dem sie sich am wohlsten fühlte. Andere Erscheinungsformen bedurften hoher Konzentration, auf daß sie nicht erschlafften und sich auflösten.
    Desmëi ging zu ihrem Schrank und holte eine Reihe von Instrumenten hervor. Zwei Stunden lang arbeitete sie an einem großen Zauber, welcher bewirkte, daß sie sich in ein Plasma verwandelte, das sich in ein Gefäß mit drei Öffnungen ergoß. Das Plasma begann aufzuwallen, verdampfte und trat wieder aus dendrei Öffnungen heraus, um sich zu drei Formen zu verdichten. Die erste war ein Mädchen von vollkommener Gestalt, mit violettblauen Augen und schwarzem Haar, so sanft wie Mitternacht. Es trug den Duft von Veilchen in sich und ward Melancthe geheißen.
    Die zweite Form war männlich. Desmëi, durch einen Zeittrick immer noch existent, verhüllte ihn rasch und verbarg ihn, auf daß nicht andere (zum Beispiel Tamurello) seine Existenz entdeckten.
    Die dritte Form, eine wahnsinnige, quiekende Kreatur, diente als Sammelbehälter für Desmëis widerwärtigste Erscheinungsformen. Bebend vor Abscheu erstickte Desmëi das abscheuliche Wesen und warf es in einen Ofen, wo es kreischend und sich windend verbrannte. Grüner Rauch stieg aus dem Ofen. Melancthe fuhr zurück und rang keuchend nach Luft, als der gräßliche Gestank ihr in die Nase stieg. Die zweite Gestalt, die mit einem Umhang verhüllt war, atmete den Gestank mit Wohlbehagen ein.
    Alle Lebenskraft war aus Desmëi gewichen. Sie löste sich in Rauch auf und verwehte. Von den drei Wesenheiten, die aus ihr hervorgegangen waren, blieb nur Melancthe, frisch und zart nach Veilchen duftend, im Palast. Die zweite wurde, immer noch in den Umhang gehüllt, nach Burg Tintzin Fyral am oberen Ende des Evandertals gebracht. Die dritte war nur noch eine Handvoll schwarzer Asche und ein nachhaltiger Gestank im

Weitere Kostenlose Bücher